Wien - "Ich kann, will und darf nichts dazu sagen," erklärt Untersuchungsrichter Stefan Erdei, wenn man ihn auf den Stand der Untersuchungen im Spitzelskandal anspricht. Aktenvermerke schreiben, das kann, will und darf er - und der Aktenvermerk vom 16. März hat es in sich: "Unter Hinweis auf die offenbar unvollständige Übermittlung" der Akten beklagt Erdei, dass die von der Wirtschaftspolizei und der Staatsanwaltschaft zusammengetragenen Akten kein klares Bild ergeben. Hauptvorwurf Erdeis: Es war immer wieder davon die Rede, dass die Staatsanwaltschaft einen "Schlussbericht erstellt habe, in dem die Vorwürfe gegen die mutmaßlichen Spitzel im Auftrag der FPÖ detailliert würden. Die fünf Kartons mit Material, die ihm letzten Donnerstag zugestellt wurden, haben dem aber keineswegs entsprochen. Erdei: "Offenbar wurde von der WiPol Wien eine Faktenliste angefertigt, die zumindest 42 Fakten aufzählt; auch unter Berücksichtigung der bereits vorliegenden Berichte und Ergebnisse . . . liegen derzeit nur Unterlagen zu insgesamt 11 Fakten, somit zu knapp 1/4 der offenbar von der WiPol Wien angezeigten Fakten dem Gericht vor. Die Einordnung der nunmehr dem Gericht übermittelten Unterlagen in den Gesamtbezug ist mangels Vorliegen einer Gesamtdarstellung (Schlussbericht) sowie Angaben zur Nummerierung (Faktenliste) nicht möglich." "Beklemmend" Es sei "zumindest nicht in allen Fällen" erkennbar, was eigentlich wem vorzuwerfen ist, weil die Fakten aus den Zusammenhängen gerissen seien. Das Magazin News, das aus dem auch dem STANDARD vorliegenden Aktenvermerk vorab Zitate veröffentlicht hatte, zieht den Schluss, dass Erdei der Staatsanwaltschaft vorwirft, ihn bei seiner Arbeit massiv zu behindern. Erdei dazu: "Ich habe gehört, dass News das berichtet, aber ich kommentiere das nicht." Umso deutlicher wird SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim: Es sei "mehr als beklemmend, zu beobachten, dass ein unabhängiger Richter offenbar massiv und völlig unverhohlen an einer effizienten Strafverfolgung behindert wird". Die Richterschaft werde "in den Würgegriff genommen". Der Leiter der Staatsanwaltschaft Wien, Erich Wetzer, betonte dagegen, Erdei sei "nichts vorenthalten" worden. Man könne vielleicht von "inhaltlichen Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Untersuchungsrichter und uns" sprechen, aber diese seien "zulässig". (red/APA/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22. März 2001)