Einen wirtschaftspolitischen Machtstreit konnten die Wirtschafts- und Finanzminister der EU am Vorabend des Gipfels ihrer Staats- und Regierungschefs in Stockholm beilegen. Sie einigten sich beim Ecofin-Treffen am späten Donnerstagabend auf das Verfahren, mit dem in Zukunft die Finanzmärkte in der Union geregelt werden sollen.

Damit ist der Weg frei für schnellere EU-Maßnahmen im Bereich der Börsen. Bisher dauerten Rechtsetzungsverfahren hier im Durchschnitt bis zu zwei Jahre - angesichts der schnellen Entwicklungen an den Märkten zu lang.

Nach dem Kompromiss wird in Zukunft ein EU-Wertpapierausschuss auf Regierungsebene geschaffen. Auf der Ebene darunter soll ein Ausschuss der nationalen Regulierungsbehörden für die Wertpapiermärkte mit beratender Funktion gebildet werden. Der Wertpapierausschuss soll jeweils durch eine vom EU-Parlament zu billigende Grundsatzrichtlinie zu praktischen Regulierungsaufgaben ermächtigt werden.

Zuletzt hatte Deutschland noch gegen diese Neuordnung Widerstand geleistet. Es war nämlich vorgesehen, der EU-Kommission einen großen Ermessensspielraum bei der Umsetzung von Beschlüssen gegen Bedenken einzelner Mitgliedstaaten zu lassen.

Nach der umstrittenen Formulierung, die eine Expertengruppe unter dem ehemaligen belgischen Nationalbankpräsidenten Alexandre Lamfalussy ausgearbeitet hatte, war die EU-Kommission lediglich dazu angehalten, die Mehrheitsmeinung im EU-Finanzministerrat "so weit wie möglich zu berücksichtigen". In der nun vereinbarten Fassung heißt es, die Kommission sei "verpflichtet", bei der Umsetzung von Beschlüssen in bestimmten "sensitiven Fällen" nicht gegen die Mehrheitsauffassung der EU-Mitgliedstaaten tätig zu werden.

Deutschland war in diesem Punkt besonders empfindlich nach den schlechten Erfahrungen bei der Behandlung der BSE-Krise im EU-Agrarausschuss. Hier hat die Kommission eine vergleichbar starke Stellung inne, wie sie sie auch nach dem Lamfalussy-Bericht bekommen hätte sollen.

Auch wenn die EU-Staats-und Regierungschefs den Ecofin-Kompromiss absegneten, ist noch nicht endgültig klar, ob die Regelung wie beschlossen eingeführt wird. Die Vorschriften müssen auch vom EU-Parlament angenommen werden. Dessen Präsidentin, Nicole Fontaine, sagte in Stockholm, die Einigung gehe zwar "in die richtige Richtung". Doch sie gehe "nicht so weit, wie wir uns das gewünscht haben".

(STANDARD-Mitarbeiter Jörg Wojahn aus Stockholm, Der Standard, Printausgabe, 24.03.2001)