Mensch
Zu viel Homocystein im Blut
Das Risiko für Thrombosen und Infarkte steigt mit dem Vorhandensein des Stoffwechselprodukts im Plasma
Wien- An die zehn Prozent der Menschen dürften zu viel Homocystein im Blut haben. Ein Drittel der 65- bis 75-Jährigen weisen
ebenfalls zu viel dieses Stoffwechselprodukts im Plasma auf. Bei den 85- bis 102-Jährigen sind es gar rund 60 Prozent. Das erhöht das
Risiko für Gefäßverkalkung inklusive Herzinfarkt und für Venenthrombosen. - Das erklärten am Donnerstag Fachleute anlässlich einer
Expertentagung zu dem Thema bei einer Pressekonferenz in Wien.
Das ist Homcystein: Es handelt dabei um ein Abbauprodukt des Eiweiß-Stoffwechsels. In Folge genetischer Faktoren oder durch einen
Mangel an Folsäure, Vitamin B6 und Vitamin B12 kann die Beseitigung aus dem Blut mangelhaft sein. Das führt zu erhöhten Konzentrationen,
die schädlich sind. Wahrscheinlich verbindet sich das Homocystein zusammen mit "bösem" LDL-Cholesterin zu einem "Duo", das für jene
Schäden an den Arterien verantwortlich ist, die im Rahmen der Gefäßverkalkung auftreten.
Wahrscheinlich ist auch eine Beteiligung an der Entstehung von Venenthrombosen. Univ.-Prof. Dr. Sabine Eichinger von der Universitätsklinik
für Innere Medizin I in Wien: "Wir finden erhöhte Homocystein-Werte bei rund zehn Prozent der Allgemeinbevölkerung. Bei Patientinnen mit
Venenthrombosen erhöht sich dieser Anteil auf 20 Prozent." Eine weitere Risikogruppe laut Univ.-Prof. Dr. Kurt Widhalm von der Wiener
Universitäts-Kinderklinik: schwer fettsüchtige Kinder und eventuell auch Buben und Mädchen aus Familien, in denen nahe Angehörige sehr
früh an Herzinfarkten erkrankt sind.
Allerdings, gegen das Homocystein als Herz-Kreislauf- und Venenthrombosen-Risikofaktor lässt sich auch etwas tun: Eine ausreichende
Versorgung mit Folsäure, Vitamin B6 und Vitamin B12 senkt die Konzentration im Blut, weil davon im Rahmen eines Enzymssystem der
Abbau gesteuert wird.
Doch mit der Ernährung der modernen Industriegesellschaft nehmen die Menschen generell zu wenig der Vitamine zu sich. Der deutsche
Ernährungswissenschafter Univ.-Prof. Dr. Klaus Pietrzik (Universität Bonn): "Wir müssten 600 bis 700 Gramm Obst und Gemüse pro Tag zu
uns nehmen, damit wir auf die notwendige Menge kommen. Wir sitzen in einem Dilemma, in einer Falle, insbesondere in einer
Ernährungsfalle."
Der einzige Ausweg wäre laut Pietrzik die Zufuhr über spezielle Präparate. Die empfohlenen Tagesmengen: 400 Mikrogramm (Millionstel
Gramm) Folsäure, zwei bis vier Milligramm Vitamin B6 und sechs Mikrogramm B12. In den USA und in Ungarn wird Folsäure - dort aber
besonders zur Verhinderung von schweren Missbildungen bei Kindern - Getreideprodukten generell zugesetzt.
Der US-Spezialist Univ.-Prof. Dr. Kilmer McCully: "Ein großer Teil des Rückgangs der tödlichen Herzerkrankungen in den USA dürfte
darauf zurück zu führen sein." An der Wiener Universitätsklinik läuft derzeit eine internationale Studie, bei der mit vergleichsweise hohen
Dosierungen von Folsäure und den Vitaminen eine Thrombose-Rückfalls-Prophylaxe durchgeführt werden soll. Die Ergebnisse liegen noch
nicht vor. (APA)