Ich weiß, ich soll mich kurz fassen, aber das ist mein Auftritt, und ich habe viel zu sagen. Es gibt so viele Leute, die mir in den vergangenen Jahren nicht geholfen haben. Ich bitte jetzt schon um Entschuldigung, sollte ich vor diesem wichtigen Forum vergessen, den einen oder anderen von euch zu erwähnen, so wie ihr über die Jahre immer wieder mich zu erwähnen vergessen habt. Vor allem möchte ich meiner Familie nicht danken. Sie war nie da, wenn ich sie gebraucht habe, und natürlich ist sie jetzt vollzählig versammelt. Mama, Papa, Oma, Opa, eines konntet ihr ständig sagen: "Du hast Recht, du schaffst es wirklich nicht. Warum tust du nicht uns allen was Gutes und gibst einfach auf?" Dann ist da meine erweiterte Familie aus der Branche. Vor allem mein Agent. Er hat sich einmal beim Versuch, seine Angelbeute zu beschreiben, beide Schultern ausgerenkt. Jeremy, was soll ich bloß sagen? Du hast mir die Rolle nicht verschafft, und du hast fast den Deal vermasselt. Du bist gefeuert. Gut, es war sowieso keine besondere Rolle. Wir wissen ja alle, dass die Person, für die sie geschrieben wurde, ungefähr das schauspielerische Talent einer Türglocke hat. Als sie ablehnte, bekam ich den Part, weil mein Agent versicherte, ich würde für Brot und Wasser arbeiten. Tut mir Leid, klingt das zu verbittert? Es ist ja nur so, dass ich bald sterben werde. Wirklich. Warum ist es plötzlich so still? Jeder weiß doch, dass ich nur noch sechs Wochen habe. Das ist doch der Grund, warum ich den Preis bekomme, oder? Nun, ich sehe gerade, dass Elizabeth Taylor das Gesicht eingeschlafen ist; und da sind noch so viele andere Leute, denen ich nicht danken möchte. Also, wenn ihr so unfreundlich wäret . . . wo war ich noch? Ach ja, mein so genannter Regisseur. Bitte keinen Applaus jetzt. Dieser Mann hat mir bei keiner einzigen Darstellung je geholfen. Er war zu sehr damit beschäftigt, sich selbst darzustellen (imitiert den Regisseur:) "Im Kasten! Und Cuh-ut! Jesses, war ich gut! Und sach mal, Stefahhhn, war's gut für dich?" Und wisst ihr was, liebe Mitglieder der Motion Picture Academy? Für mich war's nie gut. Außer mit Cheryl, der Produzentin des Films. Uns gibt's schon seit Jahren. Während ihrer zweiten Ehe hatten wir eine Beziehung. Eigentlich haben wir die immer noch. Dennoch, während aller dieser Jahre hat sie mich nie zu einer Vorführung eingeladen. Gratis sehe ich Filme immer nur als Trailers im TV. Doch ich schweife ab. Ich sollte Ihnen ja die Leute nennen, bei denen ich mich nicht bedanken muss. Also, kein großes Dankeschön an meinen Manager Larry, der der Erste im Business war, der mir sagte, dass ich Ellen Barkin nie ersetzen könnte. Und da wäre noch mein Schauspiellehrer, der konsequent der Ansicht war, ich sollte mir einen anderen Job suchen. Ganz zu schweigen von meinem Buchhalter, der so windig war, dass man immer die Tür zumachen musste. Oder die Schlechtwetterfreunde im Programm für Kinder von Alkoholikern, die insgeheim immer wünschten, dass ich durchfalle, damit ich ihnen am Telefon was über mein niedriges Selbstwertgefühl vorjammere. Ich könnte beliebig fortsetzen, doch es ist Zeit für den nächsten Preisträger, hier raufzukommen und sich seinen Namen von einem abgetakelten Schauspieler verunstalten zu lassen, der zu eitel ist, um Lesebrillen zu tragen. Aber eine besondere Huldigung geht noch an meinen Beleuchter. Wirklich wahr, Frank, ich war in dem Film so schlecht ausgeleuchtet, dass sogar mein Ex, der mich für ein Flittchen stehen lassen hat, anrief, um mir zu sagen, ich sei in Wirklichkeit hübscher. Und wie kann ich bloß eure Huldigung annehmen, ohne meinen Kostar zu erwähnen? Wie hieß sie noch schnell? Jetzt bin ich fast am Ende meiner Liste. Höchste Zeit, den einen Menschen zu nennen, über den ich ehrlich sagen kann, dass er immer da war, wenn es wirklich drauf ankam - der Mann von der Kleiderreinigung. Jimmy, du hast mir immer zu hohe Rechnungen gestellt, und du hast alles ruiniert, auf dem "Vorsichtig behandeln!" draufsteht. Aber sogar in den mageren Jahren hast du immer mein Foto an der Wand hängen gehabt, und dass vergesse ich nicht. Was kann ich noch sagen? Sollte ich jemanden zu erwähnen vergessen haben, dann war das reine Absicht. Diejenigen, die mir die Tür vor der Nase zugeknallt haben - ihr wisst, dass ihr gemeint seid. Also geht in euch und haut euch selbst auf die Schulter, dass es weh tut - mit meinen besten Wünschen. Zum Schluss möchte ich euch noch sagen, dass ich das kleine Kerlchen immer hochschätzen werde (streichelt die Statue). Aber ehrlich gesagt, er ist zu wenig zu spät. Was kann man von jemanden erwarten, der Oscar heißt? Gute Nacht. Deutsch von Michael Freund Die Journalistin und Autorin Deanne Stillman lebt in Los Angeles. Ihr neuestes Buch ist "Twentynine Palms: A True Story of Murder, Marines, and the Mojave" (William Morrow, New York; erscheint im April). (DER STANDARD/ALBUM, Print-Ausgabe, 24./25. 3. 2001)