Kunst
Kultur funkt in die Stadt
Adolf Krischanitz zur Architektur der neuen Kunsthalle
Ab sofort wird die blau-gelbe Box auf dem Karlsplatz demontiert und der Neubau angegangen, schon im Dezember soll der kleinere, rundum verglaste Karlsplatz-Pavillon fertig gestellt sein. Er dient der Kunsthalle neben den großzügigen Räumlichkeiten im Museumsquartier als zweites Standbein, was durchaus Eifersüchteleien unter den anrainenden Kunstinstitutionen hervorruft. Das alte Kunsthallencafé bleibt noch bis zum Juni geöffnet, der Betrieb soll auch während der Bauphase in einem Zelt weitergeführt werden. Das neue Café wird größer und hat eine geräumige Holzterrasse. Der Pavillon selbst ist äußerst schlicht, in die Glasfronten sind lediglich die Schriftzüge "Kunsthalle Karlsplatz" eingeätzt.
S
TANDARD
:Wie soll die neue Kunsthallenarchitektur wirken?
Krischanitz:
Es handelt sich um einen gläsernen Pavillon, einen offenen Raum, von dem aus die Kunst wie in einer Vitrine in den Stadtraum strahlt. Die alten Fundamente und Basisträger werden belassen, was die Baukosten enorm senkt.
S
TANDARD
:Kostenpunkt?
Krischanitz:
Die alte Halle hat 30 Millionen gekostet, die neue kommt etwa auf zehn, was eigentlich ein Witz ist und der Jahresmiete einer entsprechenden Fläche gleichkommt.
S
TANDARD
: Die Genese der ersten Halle war nicht gerade einfach, wie konnte die neue Halle durchgebracht werden?
Krischanitz:
Mit dem Aufstellen der Kunsthalle im Jahr 1992 begann der Skandal. Vorher war der Ort eine Gstätten, doch ein paar Leute, die gegenüber wohnen, konnten plötzlich die Karlskirche nicht mehr sehen und haben sich aufgeregt. Auch die Presse hat gegen die Box mobil gemacht. Das aktuelle Projekt war noch zu Jahreswechsel so gut wie tot, doch Gerald Matt und Michael Häupl konnten sich dann offenbar einigen.
S
TANDARD
: Die Halle hatte im Schnitt 150.000 Besucher pro Jahr, also mehr als manche Traditionshäuser. Hat die Architektur dazu beigetragen?
Krischanitz:
Für mich ist diese temporäre Architektur an einem Sekundärort wie diesem ein städtebauliches Manifest. Der Platz, auf dem die Halle steht, war immer schon ein Ort, an dem sich Temporäres ansiedelte. Erst gab es Naschmarkststände dort, später schlug jeder Zirkus, der in die Stadt kam, an der Stelle seine Zelte auf, und als die U-Bahn gebaut wurde, standen dort die Baubaracken. Bestimmte Gebäude, wie eben eine solche Kunsthalle, auf Abruf zu errichten macht Sinn, auch im Dienste der urbanen Verfügungsmöglichkeit von Grund und Boden. Wenn wir alles aus schwerem Marmor und Gold bauen wollen, dann bleiben wir über. Wollte jemand dort am Karlsplatz ein richtiges, fixes Museum hinstellen, dann würde er hoffnungslos scheitern.
S
TANDARD
: Eine temporäre Architektur wie diese ist in einer Stadt wie Wien ein Statement, das extern mehr geschätzt wird als von den Wienern selbst. Warum?
Krischanitz:
Die Halle war unter internationalen Künstlern berühmt, in Wien hat man sie immer unterschätzt und als zu wenig wertvoll erachtet. Doch genau das hat ihren Reiz ausgemacht, diese En-passant-Qualität, ihre absolute Neutralität irgendwo zwischen Produktionsstätte und Depot. Die Kunst musste sich hier nicht von der Architektur emanzipieren.
S
TANDARD
: Was wird mit dem neuen Pavillon in zehn Jahren passieren?
Krischanitz:
Man kann entscheiden, ob er stehen bleiben oder abgerissen werden soll, und dann kommt halt wieder etwas Neues hin.
(DER STANDARD/ALBUM, Print-Ausgabe, 24./25. 3. 2001)