Buenos Aires - Im April 1977 wurde er in Buenos Aires entführt und Tage später lebend aus einem Flugzeug ins Meer geworfen. Der Journalist Heinrich (Enrique) Raab, geboren in Wien am 2. Februar 1932, kam als Sechsjähriger mit seinen Eltern nach Südamerika. Raab ist nur einer von geschätzten 30.000 Verschwundenen der argentinischen Militärdiktatur (1976-83). Er ist wahrscheinlich der einzige Österreicher, der Opfer des Staatsterrors am Rio de la Plata wurde, versichert seine Schwester Eveline, die heute noch in Buenos Aires lebt. Die jüdische Unternehmerfamilie Raab konnte 1938 nach dem Anschluss Österreichs an das Dritte Reich nach Argentinien flüchten. Umso tragischer war dann die Verfolgung des einzigen Sohnes vier Jahrzehnte später. "Meine Eltern (Salomon und Malvine) haben seinen Tod nie überwunden", erzählt Eveline mit Wehmut. Heinrich Raab war ein angesehener, ein sehr beliebter Journalist in Argentinien. Er sprach fünf Sprachen, war Theater- und Filmkritiker, arbeitete zwei Jahre in Paris als Korrespondent der Tageszeitung La Opinión und war auch als Redakteur der Zeitungen Clarin und El Cronista Comercial tätig. Bereits mehrere Monate vor dem Militärputsch am 24. März 1976 erhielt Raab die ersten Morddrohungen von der so genannten Triple A (Argentinische Antikommunistische Allianz). Er hatte zuvor in einem Artikel diese paramilitärische Einheit des Präsidentenberaters José Lopez Rega scharf kritisiert. "Du Jude, du bist tot" "Eine Zeit lang hat er den Brief mit Drohungen wie ,Du Jude, du bist tot, du Kommunist' noch verheimlicht", erinnert sich seine Schwester. Doch dann wurde Raabs Wohnung Ende 1975 von Unbekannten verwüstet. Die Familie drängte ihn daraufhin, das Land zu verlassen. Doch Enrique liebte seine südamerikanische Heimat, liebte sein Buenos Aires. Ende 1976, mitten in der schlimmsten Zeit des Terrors, als pro Monat Hunderte Menschen verschwanden, interviewte Raab den Bürgermeister von Buenos Aires, General Osvaldo Cacciatore. Er fragte, ob er um sein Leben fürchten müsse. "Machen Sie sich keine Sorgen", soll Cacciatore geantwortet haben. Wenige Monate später war Raab tot. Er wurde am 16. April 1977 um drei Uhr früh aus seiner Wohnung entführt. Die Soldaten schossen die Tür mit ihren Maschinengewehren auf, wodurch Raab verletzt wurde. Blutüberströmt, gefesselt und mit einer Kapuze über dem Kopf wurde er ins berüchtigte Folterzentrum der Luftwaffenschule ESMA gebracht. Es gilt als sicher, dass er wenige Tage später, so wie viele andere unschuldige Opfer des Regimes, betäubt, aber lebend aus einem Flugzeug ins Meer geworfen wurde. Obwohl Raab seit seiner Jugend argentinischer Staatsbürger war, wandte sich die verzweifelte Familie nach seinem Verschwinden an die Österreichische Botschaft. Diese teilte aber in einem kurzen Brief bloß mit, dass sie sich nicht um den Fall kümmern könne. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.3.2001, jku)