Günther Strobl
Wien - In- und ausländische Frächter laufen Sturm gegen die Bundesregierung. Kernpunkt der Kritik ist die Brennermaut. Trotz Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) hätten die zuständigen Stellen in Wien bisher keinen Finger gerührt, die Lkw-Maut zwischen Innsbruck und dem Brennerpass auf ein "erträgliches" Maß zu senken.

"Das kann für die Republik noch teuer werden", sagte der Geschäftsführer des Fachverbandes Güterbeförderung in der Wirtschaftskammer, Rudolf-Christian Bauer, dem STANDARD. Im Fachverband schätzt man, dass die Frächter seit 1996 am Brenner rund eine Mrd. S (72,7 Mio. EURO) pro Jahr zu viel an Maut bezahlt haben.


Klagen anhängig

Über verschiedene Rechtsanwälte seien Schadenersatzklagen gegen die Republik und die Asfinag als Mutter der Maut einhebenden Autobahngesellschaft ASG anhängig. "Je länger es dauert, bis sich Österreich mit Brüssel auf eine akzeptable Mauthöhe verständigt, desto mehr Geld wird die Republik den Frächtern zurückzahlen müssen", ist Bauer überzeugt.

Rudolf Beck von der Kanzlei Beck & Krist in Mödling sieht die Chancen der Frächter, das zu viel bezahlte Geld zurückzubekommen, intakt. Allein seine Kanzlei, die eng mit dem Fachverband zusammenarbeitet, vertrete "einige Dutzend" in- und ausländische Kläger, sagte Beck. Die Klagssumme liege "jenseits der hundert Millionen Schilling". Zu den Klägern zählten überwiegend große Frächter, die häufig die Route Deutschland-Italien über den Brenner fahren würden und naturgemäß am meisten holen könnten.

Geklagt wurden Republik und Asfinag auf Amtshaftung und Schadenersatz. Auch den Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat Beck eingeschaltet, der sich aber nach mehrmonatiger Vorprüfung dem Vernehmen nach in der Causa für nicht zuständig erklärt hat.

Wie berichtet, hat EuGH in einem Erkenntnis Ende September des Vorjahres festgestellt, dass Österreich auf dem Brennerabschnitt aus der Lkw-Maut deutlich mehr Einnahmen erzielt, als für die Errichtung und Instandhaltung der Strecke notwendig ist. Das widerspricht der Wegekostenrichtlinie. Der Generalanwalt sprach gar von einer um rund 150 Prozent überhöhten Maut. Das würde heißen, dass die Maut auf rund 500 S mehr als halbiert werden müsste.

Der EuGH hat aber weder die Mauthöhe noch den Zeitpunkt vorgegeben, wann die Verbilligung spätestens zu erfolgen hat. "Umgehend" sei zu verbilligen, hieß es lediglich.

Die Anfang Februar von Infrastrukturministerin Monika Forstinger verordnete Senkung der Maut um 30 S auf 1040 S sei "ein Witz", heißt es. "Das ist der Nachvollzug dessen, was Österreich schon im vorigen Juli hätte machen müssen", sagte Bauer. "Der große Schritt steht noch aus." (D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 26. 3 . 2001)