Galerienrundgänge können, vor allem im Stadium jahrelanger Wiederholung, etwas Langweiliges bekommen (damit ist natürlich nicht diese Kolumne gemeint). Denn Galerien haben, wie andere Häuser auch, so etwas wie eine Linie (es gibt auch welche ohne, aber die kommen hier nicht vor). Also, die Linientreue der Galerien ist notwendig, da funktioniert der Kunstbetrieb nicht recht viel anders als der Vatikan. Aber eben diese Linientreue führt zum Effekt der Vorhersehbarkeit. Diese Vorhersehbarkeit stärkt zwar das Vertrauen der Kundschaft (wie im Hollywoodkino), aber sie kann eben diese auch langweilen. Die kluge Galerie weiß das, und sie baut vor, indem sie ab und an aus ihrer Linie ausschert. Der Ausbruch irritiert zunächst, lässt Programmwechsel oder Ärgeres vermuten, bestätigt aber letztlich doch wieder die Linie. Ausnahmen bestätigen eben die Regel. Aber sie erfreuen das Herz des Galerienrundschauers ungemein. So zum Beispiel neulich die Galerie Academia . Seit Jahrzehnten die Adresse für das Gediegene und Gemalte, überrascht sie jetzt mit einer Ausstellung von Lois Renner . Und zwar nicht mit seinen malerischen Nebenprodukten, sondern neuesten Fotoarbeiten (die allerdings, wie Galerist Mario Mauroner betont, allesamt Unikate sind). Willkommener Anlass ist Renners Zuerkennung des "Großen Kunstpreises des Landes Salzburg", der heuer zum ersten (und wegen Nulldefizits letzten) Mal vergeben wird (also auch ein Unikat sozusagen). Renner, der Irritationskünstler, hat das Rad der Verschränkung von Realität und Simulation wieder weiter gedreht. Durch das täuschend echte Modell seiner Salzburger Werkstätte blickt man in sein reales Wiener Atelier, durchsetzt von "echten" und "fotografierten" Personen und Objekten. Dekonstruktivismus ist hier keine bloße Formsache. Renner zeigt, wie das Bild von Realität stets ein konstruiertes ist. Zumal im Atelier, dem Ursprung aller Bilder. Galerie Academia, Residenzplatz 1, 5020 Salzburg, Tel.: (0662) 84 51 85. Bis 6. 4.
Nicht unbedingt ihre Linie, wohl aber ihr Medium hat jetzt die Galerie Fotohof verlassen (und das ist bei einer sich übers Medium definierenden Institution fast schon identitätsgefährdend). Johanna Kandl zeigt Malerei - die allerdings auf selbst geschossenen Fotos beruht. Es sind Straßen- und Marktszenen aus Wien und Osteuropa, die sie formal wie farblich vereinfacht, folkloristischer, quasi "primitiver" macht. In die Bilder eines archaischen Klein- und Kleinsthändlertums sind Slogans aus englischsprachigen Wirtschaftsmagazinen geblendet. Global Market meets Marktstandl. Sind diese spannungsreichen Arbeiten schon aus mehreren Ausstellungen bekannt, so wartet Ehepartner Helmut Kandl mit einer faszinierenden Entdeckung auf: Rund 800 Abzüge aus dem fotografischen Nachlass eines anonymen Wiener Augenarztes aus den 30er- bis 50er-Jahren hat er zu einer filmischen Abfolge montiert. Der Augenarzt besaß einen ungeheuer scharfen Blick - und obwohl seine Motive fast nie die Sphäre des Privaten verlassen, vermitteln sie unter Kandls Regie ein atmosphärisch dichtes, packendes Stück Zeitgeschichte.

Das von Kandl & Kandl gemeinsam produzierte Video Your Way To The Top vereinigt die Arbeitsmethoden der beiden: In handkolorierte Lehrmittelfotos aus der Zwischenkriegszeit werden neoliberale Wirtschaftszitate montiert, sodass sich die Ideologie von Blut & Boden und New Economy gegenseitig ad absurdum führen.
Galerie Fotohof, Erhardplatz 3, 5020 Salzburg, (0662) 84 92 96. Bis 28. 4.
Anselm Wagner