Inland
Dilettantismus österreichischer Justizbehörden
"Süddeutsche Zeitung" über unvollständige Akten in Polizeispitzelaffäre
München - "Im 'Tatort' hat man derlei noch nicht gesehen: Der Untersuchungsrichter kann den/die Täter nichts Gescheites fragen, weil
das Aktenkonvolut über den Kriminalfall unvollständig ist. Im Rechtsstaat Österreich ist dies ausgerechnet in einem Fall geschehen, in den auch
Politiker verwickelt sind: In der Polizeispitzel-Affäre, in der FPÖ-Politiker Polizisten angestiftet haben sollen, Personendaten illegal
weiterzureichen", schreibt am Montag die "Süddeutsche Zeitung" und fügt hinzu: "Vorwürfe gegen eine Staatsanwaltschaft, die dem
Justizminister weisungsgebunden ist, der wiederum zur FPÖ-Mannschaft gehört."
"Natürlich haben die Beschuldigten, zu denen im Grunde nun auch wieder der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider gehört, das Ganze als
Komplott erkannt, um ihnen die Landtagswahl in der Hauptstadt Wien zu verderben. Die Opposition sieht das Wirken politischer Obstruktion in
der unabhängigen Justiz. Abenteuerlich ist die Sache allemal. Und sie hat einen anderen, symptomatischeren Kern: Seit die FPÖ/ÖVP-Regierung
in Österreich vor einem Jahr ihr Amt angetreten hat, sind in Windeseile Unmengen von Gesetzen, Bestimmungen, Verordnungen geändert, neu
gefasst worden. Fast alle mussten hinterher nachgebessert, einige gar zurückgenommen werden. Grund waren Schlamperei und Hast."
"Genau dieser Dilettantismus scheint sich nun auch auf die Ermittlungsbehörden gelegt zu haben. Nur diesmal mit überlangem Atem. Wer glaubt
schon, dass der Justizminister da selbst an irgendetwas gedreht hat. Er hatte aber - ganz unmöglich als Herr des Verfahrens - sofort bekundet, er
halte einen Jörg Haider für 'über jeden Verdacht erhaben'. Vielleicht hat man das im Ermittlungsapparat zu wörtlich genommen." (APA)