Kunst und Kultur
Warum gefällt sie uns nicht?
WARUM GEFÄLLT SIE UNS NICHT ?
Wir blicken um uns. Über Nacht
hat die Welt sich gewandelt. Oder
vielleicht legen die Jahre
uns ein Netz vor die Augen?
Das Alter gleicht einem Spielleiter, der
auf billige Weise
das Schau-Spiel verfremdet?
Bitterer, halb unterdrückter
Seufzer der Alten:
Wir verstehen die Welt nicht mehr!
Was uns das Ernsteste war,
liefert heute den Stoff
für ein munteres Musical.
Was uns mit Schaudern erfüllt,
löst ihnen Gelächter...
Was wir verdeckt und verschwiegen
in Ehr-Furcht und Scheu, wird entkleidet,
verraten, zerredet, zernichtet.
Auf-Klärung zerriß einst den Nebel
über der Schönheit der Erde.
Heute, mit dem Geheimnis,
zersetzt sie den Sinn unsres Seins.
Die Menschen leben nicht mehr:
sie funktionieren.
Man repariert sie ja auch
ganz wie Maschinen.
Man setzt ihnen neue
Ersatzteile ein, obwohl
das selten dafürsteht.
Weder Schmerzen, noch Kosten.
Doch sie bezahlen es gern...
Die Alten leben zu lang.
Die Ungeborenen
schafft man beiseite.
Das, was natürlich vor sich geht,
achtet man wenig: gebären
kann jede Kuh!
Aber ein Ochse
mit künstlichen Hoden, der wäre
sehenswert! - Oder nicht?
Schon als Kinder
blickten wir gerne
durch farbige Brillen.
Feuerwerksterne
glitzerten greller als echte.
Wir haben die Welt verändert!
Warum gefällt sie uns nicht? -
Ihr seht sie nur aus dem Auto
oder dem wiegenden Sessel
des Berglifts. Und weil das ermüdet,
führt ihr ein Musikkästchen mit:
« 0 my Baby...»
Ihr taucht in die Tiefen der Meere
mit schützenden Masken, und landet,
in Raumanzüge verpackt,
auf der Schutthalde, oben, im Nichts.
Dort sammelt ihr Steine.
Bestaunt von Millionen,
die unten ergeben verhungern.
Wer fällt
dem rasenden Rad in die Speichen? Wer
stoppt den Zug vor dem Abgrund
in letzter Sekunde? Wem
liegt noch am Leben? Wer
empfindet noch Freude?
Erika Mitterer