Salzburg - Eine Bundesregierung, die rückwirkend Gesetze beschließt oder auch aufhebt, ein OGH, der "sehr oft arbeitsweltfremde Ansichten vertritt", dazu Ärzte, die ihre medizinischen Beurteilungen zunehmend restriktiver ausfallen lassen: Dies sind für Salzburgs Arbeiterkammer-Präsidenten Alexander Böhm die Ursachen, weshalb sich immer mehr Menschen - obwohl physisch und psychisch am Ende - ihr Recht auf Pension vor Gericht erstreiten müssen. Für den Interessensvertreter liegt deshalb auf der Hand: "Wir fordern die Einbindung der Arbeiterkammer bei der Gesetzeswerdung." Derzeit steht die Salzburger Arbeiterkammer 996 Arbeitnehmern am Sozialgericht bei ihrem Kampf um eine Pension zur Seite, wobei 70 Verfahren bereits länger als zwei Jahre dauern. Auf wenig Verständnis bei den Sozialrechtsexperten der Interessensvertretung stößt dabei immer öfter auch die Rechtssprechung durch den OGH. Kleines Beispiel: Bis vor wenigen Jahren galt für die Höchstrichter als "grundsätzlich arbeitsunfähig", wer keine 500 Meter mehr gehen kann. 1998 verschärfte der OGH diese Ansicht, und wertete es als durchaus arbeitsfähig, wenn jemand "nach 100 Meter Gehen drei bis vier Minuten Pause einhalten muss". "Absurde Rechtssprechung" Für Peter Weis, Sozialversicherungsberater bei der AK-Salzburg, eine geradezu "absurde Rechtssprechung". Der Experte hat es in seiner Praxis immer öfter mit Menschen zu tun, die - auf Grund der Beurteilung durch Ärzte und Gerichte - bestenfalls in theoretischer Hinsicht als arbeitsfähig eingestuft werden können, praktisch aber wegen ihrer Behinderung keine Stelle finden. Ein Arbeitnehmer, der an einem schweren Gefäßleiden und entsprechenden Durchblutungsstörungen in den Beinen leidet, braucht etwa eine halbe Stunde um 500 Meter zurückzulegen, und wird damit eigentlich von niemandem mehr engagiert. Ist der Betroffene dann auch noch im fernen Lungau zu Hause, reduzieren sich seine Chancen, überhaupt einen Arbeitsplatz zu finden, zusätzlich. Wie "beinhart" die Beurteilung durch Ärzte der Pensionsversicherung mitunter ausfällt, zeigt sich für die AK-Berater am Beispiel des 49-jährigen Pinzgauer Bauhilfsarbeiters Anton I.: Der Mann litt an angeborenen Klumpfüßen (beidseitig), hatte eine Totalprothese (linkes Kniegelenk), war hochgradig schwerhörig und kämpfte mit Sprachstörungen sowie Depressionen. Von der Pensionsversicherungsanstalt wurden seine Pensionsansprüche nach einer anstaltsärztlichen Untersuchung dennoch abgelehnt. Erst eine Klage und eineinhalb Prozessjahre später bekam der Hilfsarbeiter Recht. "Regierung knallt ein Gesetz nach dem anderen im Pfusch hin" Nebst Ärzten und Gerichten trägt für AK-Präsident Böhm vor allem aber die Regierung Schuld an der Entwicklung: "Wir haben so viel zu tun, weil die Regierung ein Gesetz nach dem anderen im Pfusch hinknallt." Eine Begutachtung und dezidierte Stellungnahme abzugeben, seien für die Interessensvertreter gar nicht mehr möglich, weil die Gesetzesentwürfe oft noch in gravierendem Ausmaß - während der Sitzung - geändert würden, kritisierte Böhm. (APA)