Wien - Das Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste, das nunmehr in seinem Ausstellungsprogramm die Schätze aus dem eigenen Bestand zeigt, richtet das Augenmerk in seiner am Dienstag eröffneten und bis 8. Juni laufenden neuen Ausstellung auf "Otto Wagner und seine Schule". Präsentiert wird eine Auswahl aus dem über 200 blätter umfassenden Bestand des Kupferstichkabinetts an Zeichnungen von Otto Wagner sowie Zeichnungen seiner Schüler Franz Kaym, Alfons Hetmanek und Oskar Felgl, die dank der Gesellschaft der Freunde der bildenden Künste für das Kupferstichkabinett erworben werden konnten. Entwurfsprozeß Bei der von Wagner-Experten Otto Antonia Graf und der Leiterin des Kabinetts Monika Kofler getroffenen Auswahl wurde vor allem Wert auf erste Entwurfzeichnungen gelegt, die die Handschrift Otto Wagners und seinen Entwurfsprozeß veranschaulichen. Wagner, so schreibt Otto Antonia Graf über den Architekten, der 1894 an die Akademie berufen wurde, "war der einzige Architekturprofessor der Zeit, der wußte, was zu tun war - seine Studenten entwarfen von 1898 bis 1914 Flughäfen, Autorennbahnen und Betonwolkenkratzer (Christoph Stumpf, 1904) und die erstaunlichsten Gebäude Europas in diesen Jahren. Das Schicksal der hochbegabten Wagnerschule scheiterte nur am kollektiven Selbstmord der europäischen Zivilisation August 1914." So zeigt die Schau neben ersten Handzeichnungen zur Wiener Stadtbahn (Haltestelle Brigittabrücke) Projekte für ein Reiterdenkmal für Kaiser Franz Josef und zum Ausbau der Neuen Hofburg, immer wieder gibt es Pläne für Ausstellungshallen und für "Notkirchen" (Interimskirchen, die die Kirchennot in der Einwanderungs-Weltmetropole lindern sollten). Zu den erstaunlichsten Projekten der Wagner Schule zählen ein Schul- und Festhaus für Tänzerinnen auf der Insel Lacroma von Franz Kaym (1913) und eine "Studie zur architektonischen Ausgestaltung der Nicaraguakanaleinfahrt" von Oskar Felgel (1901). Die Nicaraguakanaleinfahrt erinnert auf den ersten Blick an eine auf amerikanische Dimensionen angewachsene Donaukanalschleuse; der Brückenpylon von Felgel aber ist 1923 unverändert auf den Büroturm eines amerikanischen Architekten für die Chicago Tribune gewandert. Die hier zu Lande "vergessene" Wagnerschule ist also gar nicht so unbemerkt geblieben. (APA)