Ioan Holender wird einmal der mit Abstand längstdienende Direktor der Staatsoper gewesen sein: Kunststaatssekretär Franz Morak verlängert dessen Vertrag bis 2007. Damit wird ein ökonomisch überzeugender Kurs einzementiert, der im Künstlerischen kaum Impulse gesetzt hat. Von Ljubisa Tosic und Thomas Trenkler . Wien - Im Frühjahr 1998 hatte die anstehende Ausgliederung der Bundestheater es nötig gemacht, den 2002 endenden Vertrag mit Ioan Holender zu "harmonisieren". Er wurde aber nicht nur der neuen Rechtsform angepasst: Der damalige SPÖ-Kunststaatssekretär Peter Wittmann "harmonisierte" den Kontrakt auch mit jenen der anderen Bundestheater-Chefs, die bis Ende August 2005 laufen. Dieser Coup wurde nun wiederholt - allerdings ohne "Harmonisierung": Wittmanns Nachfolger Franz Morak (ÖVP) verkündete "am Rande einer Pressekonferenz", so eine Aussendung des Staatssekretariats, die neuerliche Verlängerung des Vertrags mit Holender um zwei weitere Jahre. Der kurzfristig anberaumte Termin, verbrämt als Pressekonferenz zum Thema "Budget 2002", war nötig geworden, weil das Gerücht um die Weiterbeschäftigung Holenders bereits die Runde machte: "Das ist eine wirkliche Nummer, die hier abgezogen wird", so Morak. "Das ist das Tagesthema!" Der Staatssekretär begründete die Vertragsverlängerung mit dem 50-Jahr-Jubiläum der Staatsopern-Wiedereröffnung im November 2005 und dem Mozart-Jahr 2006, die es vorzubereiten gelte. Die Frage, ob auch der Vertrag mit Volksoperndirektor Dominique Mentha verlängert würde, da ja auch auch dessen Haus von Mozarts 250. Geburtstag betroffen sei, wurde dahin gehend beantwortet, dass die Volksoper lange nicht so weit im Voraus zu planen habe ... Holender sei ein "großer, großer Impresario", der sein Haus "vorbildlich" führe, sagte Morak. "Schön für das Haus, schön für die Stadt" sei die Vertragsverlängerung, sagte Holender: "Ich hätte auch drei weitere Jahre gekriegt. Aber das hätte man dann als Amtszeit bezeichnet. Und ein Jahr hätte ich als Gnadenzeit angesehen." Zwei Jahre seien also gerade richtig. Wenn er nach diesen in Pension gehe, werde er 72 sein. Bei Anzeichen von Senilität wolle er aber früher abtreten, meinte Holender schmunzelnd. Er muss seine Amtszeit somit nicht, wie geplant, mit Moses und Aaron beschließen, sondern kann zur Krönung die Uraufführung eines weiteren Auftragswerkes herausbringen. Zudem plane er mit Wilfried Seipel, dem Generaldirektor dreier Bundesmuseen, die Gründung eines Gustav-Mahler-Zentrums. Und auch Musikdirektor Seiji Ozawa werde bis 2007 bleiben. Das ist nur allzu logisch. Ozawa ist zwar ein international angesehener Dirigent, aber als Spezialist von Opernhaus-Interna ist er wohl nicht zu bezeichnen. Auch er dürfte eine gewisse Zeit brauchen, um sich einzuarbeiten. Direktor Holender wird ihm sicher behilflich sein. Er kennt das. Auch er brauchte erhebliche Zeit, um sich zu "orientieren" - da gab es ja schon ungemütliche Phasen, in denen sich nicht nur das internationale Feuilleton Sorgen um den Ruf des Wiener Opernhauses zu machen begann. Er ist besser geworden, aber er ist noch lange nicht wirklich gut. Bisher kann der sparfreudige Direktor auf eine gute Auslastung verweisen; und Inszenierungen wie Hoff- manns Erzählungen , Billy Budd oder Gianni Schicci/Jakobsleiter reüssieren zu Recht. Eine Ästhetik, die international ausstrahlen würde, sucht man allerdings im Haus am Ring vergeblich - die spannendsten Musiktheaterproduktionen ereignen sich dieser Tage vor allem in Stuttgart oder in Hamburg. Statt künstlerische Impulse zu setzen, verlässt sich die Staatsoper aus Kostengründen eher auf Koproduktionen und vertraut lieber Uraltinszenierungen, um ihr Repertoiresystem aufrechtzuerhalten, weshalb die Erneuerung des Spielplans viel zu langsam vor sich geht. Doch auch bei neueren Produktionen werden szenische Details mitunter zwecks Einsparung eliminiert. Und insgesamt nimmt die Anzahl der Werke pro Saison seit der Ausgliederung 1999 ab. In Summe zu wenig Innovativ war Holender bisher eigentlich nicht in seinem Haus, sondern lediglich auf dem Dach seines Hauses: Das Kinderopernzelt ist ein unbestreitbarer Erfolg; nun kommt auch noch eine Kinderopernschule dazu, die eine Konkurrenz für die Wiener Sängerknaben sein wird. In Summe wohl zu wenig, um diese neuerliche Verlängerung seines Vertrages zu rechtfertigen. Doch wäre Holender der beste aller bisherigen Staatsoperndirektoren, es würde nicht wirklich ausreichen, die monströs lange Amtszeit zu legitimeren. So scheint die Entscheidung des Kunststaatssekretärs Morak eher eine Art Nichtentscheidung zu sein, die man als rechtzeitige Zukunftssicherung verkauft. Statt sich der Frage zu stellen, wie es mit dem Haus am Ring künstlerisch weitergehen soll, und zu beobachten, wo jene Köpfe sind, die wirklich für einen Schub an Innovation sorgen könnten, hat man es vorgezogen, den ökonomisch soliden Status quo einzuzementieren. Es bleibt einem also nur die Hoffnung, dass der durchaus lernfähige und wendige Direktor Holender weiterhin kleine oder größere Fortschritte macht und die Liste seiner Versäumnisse verkürzt. Die Hoffnung stirbt ja angeblich zuletzt. Ein wenig Zeit bleibt ihm noch ... (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28. 3. 2001)