Hannover - Joseph "Yossi" Vardi gilt als einer der Internetpioniere. Berühmtheit erlangte der Chef der israelischen Softwarefirma Mirabilis durch einen spektakulären Deal: Im Juni 1998 verkaufte er um 407 Mio. Dollar (6,3 Mrd. S/458 Mio. EURO) an den US-Provider America Online (AOL) das Programm ICQ. Drei Jahre nach dem Verkauf wird der Wert des Programms auf 1,6 Mrd. Dollar geschätzt. In wenigen Wochen werden insgesamt 100 Millionen PC-Anwender das mittlerweile in zehn Sprachen verfügbare Kommunikationsprogramm verwenden.

Der Clou an ICQ: Anwender können via Internet in Echtzeit miteinander chatten, Dateien über die Benutzeroberfläche austauschen, miteinander telefonieren oder sich bei Computerspielen messen. ICQ gilt als Prototyp der Chatrooms.

Wer aber glaubt, dass sich der heute 58-jährige Mirabilis-Chef mit den Millionen aus dem ICQ-Deal in den Ruhestand zurückzieht, hat sich gründlich getäuscht. Gemeinsam mit den anderen ICQ-Schöpfern steht er AOL als Konsulent weiterhin zur Verfügung. Das verdiente Geld hat Vardi wieder in die Hightech-Branche investiert.

Auf der CeBIT sprach Yossi Vardi mit STANDARD-Mitarbeiter Thomas Jäkle.

STANDARD: Was haben Sie mit dem Erlös aus dem ICQ-Deal gemacht?

Vardi: Einen Teil haben wir in 25 Internetunternehmen in Israel investiert. Wir wollen jungen, talentierten Menschen dadurch ermöglichen, ihre kreativen Ideen umzusetzen. Drei Programme, die bisher in diesen Firmen entwickelt wurden, gehören heute zu den am öftesten aus dem Internet heruntergeladenen Produkten. Wir werden auch weiterhin ins Internet investieren.

STANDARD: Wie beurteilen Sie die Krise der Dotcoms?

Vardi: Ich denke, da gab es eine große Diskrepanz zwischen dem Marktwert den Dotcoms, der in vielen Fällen zu hoch war, und dem realen Wert. Nun geht das ganze extrem in die andere Richtung. Dieser Selbstreinigungsprozess wird noch etwa ein bis zwei Jahre dauern. Aber eines ist sicher: Die Nachfrage im Internet wächst von Tag zu Tag. Der Anwender will ordentliche Programme aufrufen können. Da gibt es nach wie vor großen Bedarf.

Wann immer eine neue Technologie entwickelt wurde, gab es darum eine sehr große Euphorie, denken Sie an die Elektrizität, das Radio oder das Fernsehen. Wenn diese Euphorie vorbei war, interessierten sich die Menschen um die Inhalte. Der Konsument unterscheidet nicht nach Dotcom, Portalen oder Community. Die vermittelten Inhalte sind entscheidend. Meine Passion ist es, Produkte zu entwickeln, die dem Anwender was bringen.

STANDARD: Was passiert in der Zwischenzeit mit den Dotcoms?

Vardi: Einige Internetfirmen werden vom Markt verschwinden. Ich selber habe in meinem Portfolio sieben Dotcoms, die 120 Millionen Dollar Umsatz erzielten, andere haben zugesperrt. Wir werden einen darwinistischen Ausleseprozess erleben. Nur die fittesten werden überleben. Diejenigen, die nicht in der Lage sein werden, rasch Umsätze zu erzielen, werden zu den Verlierern zählen. Die Sterberate bei Start-ups war mit etwa zwei Dritteln immer schon sehr hoch. Das ist nichts Neues. Wenn wir eine neue Branche aufbauen wollen, dann müssen wir diese Selektionsprozesse als Teil der Entwicklung akzeptieren.

STANDARD: Welche Empfehlungen haben Sie für junge Dotcom-Unternehmer?

Vardi: Zunächst rate ich ihnen: Verwirkliche Deine Träume und kämpfe darum, Dein Ziel zu erreichen. Wichtig ist aber auch, nie persönliche Garantieerklärungen oder Bürgschaften zu unterschreiben. Junge kreative Menschen sollen ihre Kreativität entwickeln lernen und ihre Chancen suchen.

STANDARD: Wie könnte ein österreichisches Unternehmen eine wichtige Rolle im Internetbusiness erlangen?

Vardi: In Österreich gab es schon immer genügend kreative und innovative Menschen, die ihr Geschäft verstanden haben. Diese Menschen muss man ermutigen, muss ihnen aber auch Risikokapital zur Verfügung stellen, um eine finanzielle Basis zu schaffen. Dann bin ich überzeugt, dass es auch in Österreich genügend Internetunternehmer geben könnte.

STANDARD: Gibt es noch genügend Venture-Capital für Dotcoms?

Vardi: Auch wenn die Wall Street und andere Börsen verrückt spielen, die Kurse rauf-und runtergehen, ist noch genügend Geld vorhanden. Durch den Einstieg vieler neuer Anwender wachsen auch Nachfrage und Angebot an Risikokapital. Die Zeit, in der man nur für ein Konzept bereits Geld bekommen hat, ist aber vorbei.

STANDARD: Was ist Ihr Eindruck von der CeBIT?

Vardi: Ich bin das erste Mal hier und von der enormen Größe überrascht. Jeder der 8500 Aussteller hat hier seinen großen Auftritt.