Lansing/Wien - Möglicherweise muss die Liste der Umweltschadstoffe um eine Kategorie erweitert werden: um FOCs (Fluorinated Organic Compounds, Organische Fluorverbindungen), Verwandte der berüchtigten Chlorverbindungen PCBs und DDT. Eine Gruppe dieser Verbindungen, so genannte PFOs (Perfluoroctanyl-Sulfonate), die vor allem bei der Oberflächenbehandlung von Teppichen, Leder, Papier und Stoffen sowie in Feuerlöschern eingesetzt werden, sind bereits im Vorjahr in Verdacht geraten: PFOs wurden im Gewebe von Tieren entdeckt. Daraufhin beschloss 3M, der einzige amerikanische, aber zugleich weltweit größte PFO-Erzeuger, den Ausstieg aus der Produktion. Dies, obwohl es - noch? - keinen Nachweis gibt, dass die in Tieren gemessenen PFO-Mengen gesundheitsschädlich sind. Allerdings: Die tausendfache Dosis ist für Ratten tödlich. Aufgerüttelt hat nun eine Entdeckung von John Giesy und Kurunthalachalam Kannan (Michigan State University, Lansing, USA): Die Fluorverbindungen reichern sich wider Erwarten rund um den Erdball im Gewebe aller untersuchten Tierarten an, vom Fisch über das Reptil bis zum Vogel und Säugetier. Alle enthielten PFOs, einige FOCs. Die größten Mengen wurden klarerweise im Umfeld von Städten gemessen. Überraschend war jedoch, dass die Chemikalien auch in unberührten Weltgegenden wie der Antarktis zu finden waren, denn theoretisch sollten sich die Moleküle nicht so weit verbreiten, weil sie außerordentlich stabil sind. So stabil, dass es bis heute keine Methode gibt, sie abzubauen. Eine mögliche Erklärung für die Verbreitung der Schadstoffe aus der Sicht der Umweltchemiker: Flüchtige oder wasserlöslichere chemische Vorläufer von PFOs könnten rund um die Welt wandern und sich erst vor Ort zu PFOs verbinden. In Österreich nicht nachgemessen Heuer im Jänner trafen sich deshalb Industrievertreter aus vielen Ländern, um die Lage zu diskutieren. Und jetzt im März hat die amerikanische Umweltschutzbehörde E.P.A. neue Vorschriften erlassen, die die Produktion von PFOs reduzieren. "Auch in Österreich ist die Problematik bekannt", erklärt Raimund Quint, Chemiker im zuständigen Landwirtschaftsministerium, Abteilung für Chemiepolitik, dem STANDARD, "auch wenn wir keinen PFO-Produzenten haben. Sie ist im Rahmen der OECD bewertet worden. Gemessen wurde bei uns allerdings noch nicht." In die POP-Konvention (Persistant Organic Pollutants) der UNO ist der Stoff zwar noch nicht aufgenommen, aber die EU beschäftigt sich "mit starker österreichischer Beteiligung" mit einer neuen Chemikalienstrategie, die zu einer Neubewertung von Stoffen, auch der organischen, führen soll. Quint: "Bis es allerdings soweit ist, dass die angestrebten Vorschriften umgesetzt werden können, wird es wohl noch ein paar Jahre dauern."(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28. 3. 2001)