Wien - Kritik an der von der Koalition geplanten Vorgangsweise zur Reparatur der Ambulanzgebühren kam am Mittwoch im Nationalrat von der Opposition. SP-Klubchef Peter Kostelka sprach von einer "Panikreaktion" und forderte eine "ordnungsgemäße Beratung". Grün-Bundessprecher Alexander Van der Bellen sprach von einem "Husch-Pfusch-Verfahren". ÖVP und Freiheitliche haben die vorgesehenen Änderungen am Dienstag als Initiativantrag eingebracht und streben an, die nach der Aufhebung der Ambulanzgebühren durch den Verfassungsgerichtshof (VfGH) notwendige Reparatur bereits kommenden Montag abzuschließen.SPÖ wendet sich an den VfGH Die SPÖ wendet sich in Sachen Ambulanzgebühr an den Verfassungsgerichtshof. Ein entsprechender Antrag solle mit der Veröffentlichung der neuen gesetzlichen Regelung eingebracht werden, kündigte der geschäftsführende Klubobmann Peter Kostelka am Mittwoch bei einer Pressekonferenz an. Im Wesentlichen bezieht sich die Klage auf eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Die SPÖ kritisiert u.a., dass der Behandlungsbeitrag nur in öffentlichen, nicht aber in privaten Ambulanzen eingehoben wird. Ebenfalls auf Unverständnis Kostelkas stößt, wie die Regierung die neu eingeführte Ausnahme für Kinder definiert. Die geplante Regelung würde bedeuten, dass ein 27-jähriger Student dank der Mitversicherung von der Gebühr befreit sei, während ein 15-jähriger Lehrling zahlen müsse. Überdies sei nicht einzusehen, warum beispielsweise in Diabetes- und in Schmerzambulanzen Beiträge verlangt würden, bei der Dialyse jedoch nicht. Auch sieht die SPÖ eine eindeutige Bevorzugung der Gewerbetreibenden, Bauern und Beamten. Diese würden nun wieder auf ihren schon früher üblichen Selbstbehalt zurückgeführt, der mit rund 80 Schilling deutlich unter der Ambulanzgebühr (150 bzw. 250 Schilling pro Besuch) liege. Das bedeute, dass der Behandlungsbeitrag vor allem Arbeiter, Angestellte und Pensionisten treffe, kritisierte SP-Gesundheitssprecher Manfred Lackner. Verwundert zeigten sich die SP-Politiker zudem über die Ausnahmeregelung für Schwangere. Die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen, die man auch beim niedergelassenen Arzt absolvieren könne, bleibe gratis, bei Schmerzen in der Nacht, wo man auf die Ambulanz angewiesen sei, müssten Frauen dagegen zahlen. Die Kritik der SPÖ macht aber nicht bei den Inhalten halt. Die nunmehr geplante vierteljährliche Abrechnung der Ambulanzgebühr schaffe ein "Bürokratiemonster", kritisierte Kostelka. Dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger würden dabei nur 6,5 Prozent der Einnahmen für den Verwaltungsaufwand zur Verfügung gestellt, alles andere müssten die ohnehin finanzschwachen Kassen selbst zahlen. Insgesamt deponierte die SPÖ nochmals ihre grundsätzliche Ablehnung der Gebühr. Diese sei "unsozial, unüberlegt und ein Husch-Pfusch", erklärte Lackner. Sozialminister Herbert Haupt (F) sei in dieser Angelegenheit "unbelehrbar". Koalition will Beschluss am Montag Nach dem Fahrplan der Koalition soll noch diese Woche der Sozialausschuss sich mit der Materie befassen. Kommenden Montag sollten dann im Plenum Debatte und Beschluss folgen. Die Präsidiale habe am Dienstag diese Vorgangsweise beraten, betonte FP-Klubchef Peter Westenthaler. Wenn Kostelka nun fordere, die Präsidiale solle sich damit befassen, könne er nur von einem "seltsamen Schauspiel" und einer "Show" sprechen. Van der Bellen hatte zuvor gesagt, es sei "unerhört", dass noch vor Ausfertigung des VfGH-Urteils die Änderung vorgenommen werde. Bisher liege keine Basis dafür vor, zu entscheiden, welche Änderungen nötig seien. VP-Klubobmann Andreas Khol wies diese Darstellung zurück. Präsident und Vizepräsident des Verfassungsgerichtshofes hätten in einer "offiziellen Pressekonferenz" über die Aufhebung der Ambulanzgebühr informiert und mitgeteilt, dass "ein rein formaler Mangel" dafür Ausschlag gebend sei. Er sehe keine Veranlassung, daran zu zweifeln. Außerdem sei diese Mitteilung ausreichend gewesen, im Wiener Wahlkampf der Regierung Versäumnisse vorzuwerfen. Sie sei daher auch ausreichend, um diese Versäumnisse zu reparieren. Westenthaler gab sich darüber hinaus "empört" darüber, dass mit Van der Bellen ein Universitätsprofessor offenbar nicht in der Lage sei, bis Montag ein zweieinhalb Seiten starkes Gesetz zu lesen, zu studieren und zu beurteilen. Grünewald kritisiert "exzessive Ausweitung" Die Neuregelung der Ambulanzgebühr bringt nach Ansicht der Grünen eine massive Ausweitung des Betroffenenkreises und damit eine neuerliche zusätzliche Belastung von kranken Menschen. Der Grüne Gesundheitssprecher Kurt Grünewald befürchtete am Mittwoch in einer Aussendung, dass diese Maßnahme einen weiteren Schritt in Richtung Zwei-Klassen-Medizin bedeute, ohne dass hier große Struktureffekte zu erwarten wären. Weiterer Kritikpunkt: "Die Regierung setzt ihre chaotische Vorgangsweise bei den Ambulanzgebühren ungemindert fort. Trotz des Fiaskos bei der ersten Einführung soll nun neuerlich dieses Gesetz in einer Husch-Pfusch-Aktion durchgepeitscht werden. Das ist verantwortungslos und schärfstens abzulehnen." Die Grünen fordern daher, dass bei der Behandlung der Ambulanzgebühren im Ausschuss Vertreter der Krankenkassen, der Krankenanstaltenholdings und Patientenorganisationen inklusive der Behindertenverbände den Beratungen zugezogen werden. "Nur wenn Vertreter der Praxis an den Beratungen teilnehmen können, ist zumindest ein Mindestmaß an demokratischer Diskussion gewährleistet." (APA)