Wien - Der Außenminister der von den Taliban-Milizen vertriebenen rechtmäßigen afghanischen Regierung, Abdullah Abdullah, hat eine politische Lösung des Afghanistan-Problems nicht ausgeschlossen. Anlässlich eines Wien-Aufenthaltes ließ Abdullah am Mittwoch vor Pressevertretern durchblicken, dass die internationale Gemeinschaft nur durch Druck auf jene Länder, die das Taliban-Regime anerkannt hätten - Saudiarabien, Vereinigte Arabische Emirate, vor allem aber Pakistan - ihren Einfluss in dieser Richtung geltend machen könne. Abdullah weilte nach Aufenthalten in Paris und Genf am Mittwoch in Wien, wo er außer mit Außenministerin Benita Ferrero-Waldner auch mit Vertretern der in Wien ansäßigen UNO-Behörden konferierte. Nächste Station seiner Europareise ist Ankara. Seinen Angaben zufolge geht der Krieg in Afghanistan weiter. Das Taliban-Regime habe in den von ihm kontrollierten Gebieten die Bevölkerung ins Elend gestürzt, normales Leben sei dort praktisch zum Stillstand gekommen. Das Volk sei von dem Regime als Geisel genommen, Afghanistan zu einem "großen Gefängnis" geworden. Die Zerstörung der Buddha-Statuen von Bamiyan "angeblich im Namen des Islam und im Auftrag Gottes" habe die wahre Natur des Regimes enthüllt, das sich radikal von jeder Vergangenheit lösen wolle. Abdullah beschuldigte das Taliban-Regime, das offenbar glaube, einem Endsieg nahe zu sein, eine neue Offensive gegen die von der rechtmäßigen Regierung unter Präsident Burhanuddin Rabbani gehaltenen Regionen im Nordosten vorzubereiten. Da dort noch Winter herrsche, gebe es zur Zeit nur wenige Kämpfe. Vermutungen, dass es innerhalb der Taliban radikale und gemäßigte Flügel gebe, seien mit Vorsicht zu genießen - vielleicht bei Reden, aber nicht bei der Verwirklichung der gesetzten Programme. Der Frage nach Gewährung ausländischer Militärhilfe für die Regierung Rabbani wich der Außenminister aus. Seine Regierung verfüge über rund 20.000 Kämpfer. Er sprach aber von "guten und normalen" Beziehungen seiner Regierung mit Russland. Sympathie genieße die Rabbani-Regierung auch im Ausland. Auf die Frage nach der Gefahr, die Fundamentalisten, unterstützt durch die Taliban, für die Nachbarstaaten darstellten, meinte Abdullah, außer den Taliban operierten in der gesamten Region auch Aktivisten und Terroristen aus arabischen Ländern, aus Pakistan, sowie Dissidenten aus den nördlichen Nachbarländern Tadschikistan, Usbekistan, usw. Sie alle bedrohten die Stabilität der ganzen Region, die internationale Gemeinschaft sollte dem mehr Aufmerksamkeit widmen. Abdullah beschuldigte Pakistan, das wesentlich zur Etabilierung des Taliban-Regimes in Afghanistan beigetragen habe, Hegemonieträume in der Region zu verfolgen. Afghanistan sollte für die Militärregierung in Islamabad offenbar als eine Art Hinterhof für politische Abenteuer, darunter auch in Kaschmir dienen. Ein friedliches Afghanistan würde den Interessen Pakistans besser dienen. Sanktionen gegen das Taliban-Regime, auch weil es den Terrorchef Osama bin Laden beherberge, seien eine Möglichkeit zur Einflussnahme. Eine bessere Möglichkeit für die internationale Gemeinschaft, dieses Regime an den Verhandlungstisch zu zwingen, wäre die Ausübung von Druck auf jene drei Staaten, die dieses Regime anerkannt hätten: Saudiarabien, Vereinigte Arabische Emirate und Pakistan. (APA)