Russlands Präsident Wladimir Putin will also das öffentliche Leben des Landes entmilitarisieren. Damit wurde jedenfalls der Wechsel an der Spitze der zwei Schlüsselministerien im Sicherheitsbereich, des Innen- und des Verteidigungsministeriums, begründet.

Diese offizielle Version klingt gut, verdient aber eine nähere Durchleuchtung - auch unter dem Gesichtspunkt, dass unter Putin die militärische Erziehung an den Schulen wieder eingeführt wurde.

Da ist zunächst einmal der "zivile" Status des neuen Verteidigungsministers. Sergej Iwanow ist zwar kein Militär im klassischen Sinn. Aber er war bis Ende des Vorjahres General der militärischen Aufklärung. Auf eigenen Wunsch - weil ihm dies seine Arbeit als Sekretär des Sicherheitsrates "erleichtere" - wurde er vom Generalsrang entbunden.

Worum es wirklich geht: Iwanow gehört zu jener Gruppe von Geheimdienstlern, aus der auch Putin kommt und die das eigentliche Rückgrat seiner Macht bildet. Sie nennen sich selbst stolz "Tschekisten" (nach der früheren bolschewistischen Geheimpolizei) und sind von einem weitgehend ideologiefreien Ordnungsgedanken getragen, der ein starkes Russland vor allem durch straffe Führung garantiert sieht.

Als enger Vertrauter Putins soll Iwanow nun die Reform der demoralisierten, ineffektiven und zu teuren Streitkräfte durchziehen. Die schleichende Entmachtung der Generäle kündigte sich bereits zu Jahresbeginn an, als Putin den Oberbefehl im Tschetschenien-Krieg dem Inlandsgeheimdienst übertrug. Erleichtert wurde sie dadurch, dass die Armeeführung tief zerstritten ist. Das kann dem neuen Verteidigungsminister bei seiner Aufgabe zugute kommen - oder auch nicht. Wie auch immer: Mit Entmilitarisierung hat das Ganze nur dann etwas zu tun, wenn man Militär mit Uniform gleichsetzt. (DER STANDARD; Printausgabe, 29.3.2001)