Wien - 26.000 Bartstoppeln hat der "Durchschnittsmann" im Gesicht. Im Alter von 55 Jahren hat er sich 15 Meter Wildwuchs entfernt. Dafür verbringt er rund 3.350 Stunden oder 139 Tage seines Lebens vor dem Badezimmerspiegel. Die Härchen mit einer Stärke von etwa 0,07 Millimetern an den Wangen und 0,09 Millimetern an der Kinnpartie wachsen täglich nach, im Monat etwa einen Zentimeter. Rasur ist also eine Sisyphus-Arbeit und noch dazu gar nicht überlebensnotwendig. Dennoch hat die Geschichte der Haarentfernung sozusagen einen (langen) Bart: Vor Tausenden von Jahren sind Männer ihren Gesichtshaaren mit Schabgeräten wie Steinen oder Knochen zu Leibe gerückt. Später wurden die Härchen mit glühenden Eisen abgesengt. "Der Mensch ist ein nackter Affe, der mit seiner Tier-Natur nicht zurecht kommt", umschrieb die Psychoanalytikerin Rotraud Perner das Phänomen "Mann gegen Bart" im Rahmen der Vortragsreihe "Kosmetik transparent" vor Journalisten in Wien. Kultische und religiöse Funktion Beweise für frühgeschichtliche Haarentfernung sind u.a. Rasiermesser aus dem 15. und 16. Jahrhundert vor Christus. Damals war Rasur weder eine Frage der Hygiene noch des persönlichen Wohlbefindens, sondern hatte eine kultische und religiöse Funktion. In Mittelalter und Neuzeit drückte der Bart oder dessen Fehlen die Zugehörigkeit zu einer Gruppe aus: Während der Revolution des 19. Jahrhunderts beispielsweise gab es "Demagogenbärten" aus, darauf folgten "Demokratenbärte". Das Gewerbe des Rasiermesser schwingenden Barbiers blühte, bis 1895 aus Amerika eine für den Bart einschneidende Erfindung kam: der Sicherheitsrasierer mit austauschbarer Klinge für den Hausgebrauch von King Camp Gillette. Die Nassrasur in Eigenregie wurde zu einem Beitrag zur persönlichen Hygiene. Schon in den dreißiger Jahren fand der elektrische Rasierer von Jakob Schick zahlreiche Anwender. Der Höhepunkt der schneller als die nasse Variante zu bewerkstelligenden Elektrorasur fällt in die späten Fünfziger und frühen Sechziger mit dem Wirtschaftswunder und der "Elektrifizierung" vieler Lebensbereiche. (APA)