Wien - Der tschechische Außenminister Jan Kavan erwartet keinen Massenansturm tschechischer Arbeitnehmer in Österreich nach einem EU-Beitritt seines Landes. Die tschechische Bevölkerung sei ähnlich wie die österreichische nicht sehr mobil. Das einzige Problem sei das der Pendler, das aber gelöst werden könne, sagte Kavan. Er habe Verständnis für die österreichischen Sorgen. Die Regierung in Prag werde sich jedoch erst dann zu Übergangsfristen in der Personenfreizügigkeit nach einem EU-Beitritt äußern, wenn es eine gemeinsame Position der Europäischen Union dazu gebe. Österreich hatte eine siebenjährige Übergangsfrist vorgeschlagen. Wenn die Position der EU-Kommission "in einem signifikanten Ausmaß Flexibilität und Differenzierung" zeige, werde dies in Prag auf Verständnis stoßen. Es müsse jedenfalls möglich sein, eine Lösung zu finden, die es erlaube, auf unerwartete Entwicklungen zu reagieren. Kavan betonte, es wäre "psychologisch schwierig", der tschechischen Bevölkerung bei einem EU-Beitritt zu erklären, dass die Personenfreizügigkeit für sie nicht gelten solle, es könnte das Gefühl entstehen, "EU-Bürger zweiter Klasse" zu sein. Junktimierung Benes-Dekrete - EU-Beitritt abgelehnt Es dürfe keine Junktimierung bilateraler Fragen wie jene der Benes-Dekrete mit dem EU-Beitritt Tschechiens geben. Dies erklärte SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer Donnerstagnachmittag bei einem Treffen mit dem tschechischen Außenminister Jan Kavan in Wien. Darin sei sich die SPÖ mit der ÖVP einig, nicht jedoch mit der FPÖ, habe Gusenbauer erklärt, hieß es von SPÖ-Seite. Kavan und Ferrero-Waldner betonten die guten bilateralen Beziehungen der beiden Länder, wenn es zwischen Nachbarn auch hin und wieder mehr Probleme gebe als zwischen weit entfernten Staaten. Die Außenministerin unterstrich, Wien und Prag wollten zwischenstaatliche Probleme bilateral lösen und nicht mit dem EU-Beitritt Tschechiens junktimieren. Dazu diene auch die Dialogkonferenz, die am Donnerstag von den beiden Außenministern eröffnet wurde und im Rahmen derer auch Probleme wie die Benes-Dekrete diskutiert werden sollen, die nach dem Zweiten Weltkrieg in der Tschechoslowakei Grundlage der Vertreibung und der Enteignung der deutschsprachigen Minderheit bildeten. Völkerrechtsexperten und Historiker sollten nun die Basis für eine politische Entscheidung in dieser Frage erarbeiten, sagte Kavan. Er sei "vorsichtig optimistisch", dass eine ähnliche Lösung gefunden werden könne, wie zwischen Tschechien und Deutschland. Ferrero-Waldner erwartet "lösungsorientierte Ansätze" durch die Dialogkonferenz "vielleicht in einem Jahr". Kavan sagte zu, zu der für den 6. Juni geplanten Regionalkonferenz der Außenminister aus Tschechien, Polen, der Slowakei, Ungarn, Slowenien und Österreichs nach Wien zu kommen. Der tschechische Außenminister unterstrich, die von Österreich initiierte strategische Partnerschaft und die in ihrem Rahmen stattfindende Regionalkonferenz solle keine Konkurrenz zu anderen regionalen Zusammenschlüssen sein, sondern den EU-Beiritt der Kandidatenländer erleichtern. Ferrero-Waldner wies auf bereits bestehende regionale Kooperationen in der EU hin, wie etwa der Benelux-Staaten. (APA)