Wien - Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl sieht die Gewichtsverteilung innerhalb der Bundesregierung nicht erschüttert. Der heftigen Kritik des Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider, der die Regierungspolitik für die Wahlniederlage der FPÖ in Wien verantwortlich macht, misst Leitl im Gespräch mit dem Standard nur therapeutische Bedeutung zu: "Das ist die übliche Entschlackungskur nach einem Kater." Auch von der als Folge der Kritik Haiders aufflammenden Debatte um das Tempo der Regierungsarbeit hält Leitl nicht viel: "Natürlich kann man durch zu hohe Geschwindigkeit ins Schleudern geraten. Aber wenn man zu stark auf die Bremse steigt, kann der Wagen auch aus der Kurve fliegen." Gemäßigtes Tempo sei angebracht, meint Leitl und betont, dass die Wirtschaft mit dem Aufarbeiten des "Reformstaus" durchaus zufrieden sei. Die Budgetsanierung, deren schmerzhafte Auswirkungen auf schlechter Verdienende von Teilen der FP-Funktionäre als Hauptgrund für das Wahldebakel bezeichnet werden, müsse außer Frage gestellt werden, glaubt Leitl: "Kein anderes Ziel wird von der Bevölkerung so sehr verstanden wie die Budgetsanierung. Es ist klar, dass dies nicht nur über Steuern und Abgaben, sondern auch durch mutige Reformen in der Verwaltung geschehen muss. Wenn die Wirtschaftskammer fähig ist, die Kosten um 20 Prozent zu reduzieren und eine Beitragssenkung von 30 Prozent durchzuführen, dann kann es für einen Staat doch keine so große Schwierigkeit sein, zehn bis 15 Prozent einzusparen." Damit wäre das Sparziel erreicht, betont Leitl. "Gefährliche Drohung" Seine Empfehlung an die Regierung wäre, "die jetzt vor uns liegenden zwei wahlfreien Jahre zu nützen" und die angekündigte Verwaltungsreform umzusetzen: "Wenn Vizekanzlerin Susanne Riess- Passer hier Tempo herausnehmen will, dann ist das eine gefährliche Drohung. Denn von einer Verwaltungsreform auf allen Ebenen hängt unser künftiger politischer und finanzieller Handlungsspielraum ab." Schon jetzt spüre Österreichs Wirtschaft wachsenden Druck durch laufende Standortverbesserungen in Konkurrenzländern wie Deutschland und Frankreich: "Die EU-Förderungen für die neuen Beitrittsländer werden die Konkurrenzsituation noch verschärfen." Um diese Herausforderungen zu bestehen, sei die Mitarbeit eines kreativen Kopfes wie Haider auf jeden Fall gefordert, so Leitl. Und da sei es im Endeffekt egal, ob Haider im Koalitionsausschuss sitze oder sich ganz nach Kärnten zurückziehe. (kob) (DER STANDARD, Printausgabe; 30.3.2001)