Zugegeben: An Image zu gewinnen war für die Europäische Zentralbank an diesem Donnerstag von vornherein nichts. Hätte sie in Anbetracht der Konjunkturrisiken den Leitzins gesenkt, wäre sie in den Augen der puristischen Inflationsbekämpfer ihres Gesichts verlustig gegangen. So hat sie sich konservativ verhalten und den Zinssatz unverändert hoch gehalten - und erntet den Unmut der Finanzmärkte und den Ärger jener Ökonomen, die von der Geldpolitik auch eine Rücksichtnahme auf das Wirtschaftswachstum als wirtschaftspolitisches Ziel erwarten. Immerhin hat der Chefvolkswirt der Zentralbank, Otmar Issing, noch am vergangenen Wochenende hinausposaunt, dass man alle Wachstumsprognosen für das Euroland nach unten revidieren müsse, die Risiken für einen Preisanstieg seien hingegen mittlerweile weniger dramatisch zu sehen. Die Finanzmärkte vernahmen die Botschaft mit Freuden, der Euro legte gegen den Dollar zu. Am Ende gewann dann aber doch wieder der starre Blick auf die Geldmenge und die Inflationsangst.

Die Vertrauenswürdigkeit der Währungshüter im Euroland ist dadurch freilich nicht gestiegen. Sie erscheinen wie Gefangene im Frankfurter Turm, die sich ihres starren Korsetts des vorgegebenen Inflationsziels nicht entledigen können. Dabei trägt das Inflationsszenario doch ein klares Ablaufdatum: Im Vorjahr sprang der Rohölpreis mit April/Mai in die Höhe, das heißt, heuer um dieselbe Jahreszeit ist der Vergleichswert aus dem Vorjahr für die Teuerung wesentlich höher. Die Inflationsrate als Steigerungswert sinkt automatisch. Dann sollte auch die EZB um eine Zinssenkung nicht mehr herumkommen. Und ihr bliebe das Image dessen, den das Leben bestraft hat, weil er zu spät gekommen ist. (DER STANDARD, Printausgabe 30.3.2001)