Frankfurt/London/Bern - Nach der Liberalisierung der Telekom-, Strom- und Gasmärkte soll es in Kürze EU-weit auch auf dem Schienennetz viel mehr Wettbewerb geben. Die einzelnen Staaten bereiten sich unterschiedlich darauf vor. Trennung von Schiene und Bahn In Deutschland hat Verkehrsminister Kurt Bodewig (SPD) erst in der Vorwoche Pläne relativiert, das Schienennetz und den Betrieb der Deutschen Bahn völlig voneinander zu trennen. Eine Arbeitsgruppe soll nun prüfen, inwieweit die Unabhängigkeit des Netzes ohne Herauslösung aus der Bahn-Holding erreicht werden kann. Die Bandbreite der Varianten reicht von einer unabhängigen Organisation im Bereich der Holding bis zu einer vollständigen Herauslösung oder der Errichtung einer Regulierungsbehörde. Privatisierung Mit der Privatisierung von British Rail fand in Großbritannien der letzte große Verkauf von Staatsunternehmen statt. Sie ging über die Bühne, als das Ende der konservativen Herrschaft schon absehbar war: Selbst Margaret Thatcher hatte sich nicht getraut, die traditionsreiche Staatsfirma British Rail in Angriff zu nehmen. Als ihr Nachfolger John Major es dann doch tat, war es im Grunde zu spät. Er kämpfte gegen die Zeit und installierte die letzte der privaten neuen Eisenbahngesellschaften im April 1997, ganze vier Wochen vor dem Machtwechsel zu Labour. Indiskutabel war das Vorgehen bei der Abspaltung von Railtrack, jener Gesellschaft, die jetzt gegen den Rat aller Fachleute für das gesamte Schienen- und Signalsystem in Großbritannien zuständig ist: Es war vorhersehbar, dass die Privatfirmen für die hohen Renovierungs- und Unterhaltskosten nicht aufkommen würden. Die Verkehrswege der Bahnen verfallen. Nach vier großen Unglücken mit Todesopfern seit 1998 gibt jetzt sogar der konservative Verkehrssprecher Bernard Jenkin zu, der Verkauf der Dachgesellschaft British Rail und die Aufsplitterung in zwei Dutzend konkurrierende Unternehmen sowie in die für die Gleise und Anlagen zuständige "Railtrack" sei ein Fehler gewesen. Integriertes Unternehmen Die SBB als wichtigster Anbieter im öffentlichen Verkehr der Schweiz ist ein integriertes Unternehmen geblieben, das Infrastruktur und Betrieb in einer Hand behält, sein Schienennetz aber der Konkurrenz zu Marktbedingungen zur Verfügung stellen muss. Bis 1998 waren die SBB ein Staatsbetrieb; heute sind sie eine zu 100 Prozent dem Bund gehörende AG. Das dichteste Bahnnetz mit dem besten Verkehrsangebot in ganz Europa macht die Schweizer zu einem Volk von Bahnfahrern. (kbo/rh/stro/ DER STANDARD Print-Ausgabe 30. März 2001)