Hermann Polz

Plakatgläubig, wie ich nun einmal bin, habe ich bis jetzt angenommen, es gehe Schüssel um Österreich, dabei geht es ihm, wie er jetzt freimütig gestanden hat, um den zweiten Platz. Wird ihm vom Wähler der dritte zugeteilt, droht er ihm mit der Opposition. Der Arme. Möge er nicht so erschrecken wie ich.

Aber guten Willens nehme ich an, dass es Schüssel als Inhaber des zweiten Platzes bisher auch schon um Österreich gegangen ist, wenngleich er es nicht immer so deutlich zeigen konnte, wie er wollte. Es ist halt schon so in der Politik, dass die bösen anderen den Guten nie so gut sein lassen, wie er will.

In welcher Weise aber wird es ihm am dritten Platz, mit dem er offenherzig schon rechnet, um Österreich gehen? - Das verschweigt er uns leider.

Schon einmal ist der ÖVP die Opposition nicht gut bekommen, und sie ist reumütig an die Regierungströge zurückgekehrt. Wie sollte ihr diese Rolle für sich und vor allem für Österreich jetzt besser gelingen, da sie sich in ihrer Struktur nicht geändert und nach wie vor nur Übung in Verwaltung von Besitzstäden hat? Wen sollte sie halten oder gar für sich gewinnen können, wenn sie in absehbarer Zeit nicht einmal mehr die vage Hoffnung auf Pöstchen und Posten im erquickenden Schatten der Macht wecken wird können?

Der einzige taktische Sinn, der dieser vorzeitigen Festlegung abgewonnen werden kann, ist das Bestreben, der SPÖ den schwarz-blauen oder blau-schwarzen Wind aus dem Segeln zu nehmen. Eine vage Spekulation. Ob sie es wert ist, dass Schüssel im Widerspruch zu den Grundregeln der Politik seinen Handlungsspielraum von vornherein so drastisch einschränkt?

Was uns da so überraschend als neue VP-Linie angedient wird, trägt eher die Merkmale eines Verzweiflungsaktes an sich, eines letzten Aufrufs, die VP für die Koalitionsregierung zu retten, wobei der fatale Eindruck vermittelt wird, dass sie selbst schon nicht mehr daran glaubt, die Silbermedaille noch einmal gewinnen zu können. Da schwingt ein wenig politpubertärer Trotz mit und ein Hauch von Resignation. Das riechen die Wähler sehr wohl, honorieren es aber nicht. Ganz abgesehen davon, dass sie auf Grund leidvoller Erfahrungen ganz allgemein nicht mehr glauben, es würde eine Partei nach den Wahlen halten, was sie versprochen hat.

Aber die ÖVP kann da nie in Verlegenheit kommen, denn im Zweifelsfall wechselt sie ihren Obmann. Es könnte Schüssel daher die Gnade zuteil werden, als Gewinner der Bronze-Medaille den glatten Weg in den politischen Ruhestand gehen zu dürfen, statt sich auf den steinigen der Opposition begeben zu müssen. Sein Nachfolger kann den Stolz, dass er von der SPÖ doch noch gebraucht wird, um eine Regierung bilden zu können, zum Obmann erheben.

Hermann Polz, ehemals langjähriger Chefredakteur der "Oberösterreichischen Nachrichten", lebt als freier Publizist in Wien.