Es gibt viele Ursachen für schlechte Behandlungsergebnisse: Nichts fürchtet ein Operateur mehr als die Infektion, denn die Spätfolgen sind schwerwiegend, bestehen oft lebenslang. Eine Entzündung am Knochen ist schwer zu beherrschen, widersteht oft allen Antibiotika, heilt mit Defektbildungen, bleibenden Bewegungseinschränkungen oder niemals endgültig aus.

Die Infektionsrate kann durch penible Einhaltung der Hygienevorschriften einerseits, durch schonende Operationstechnik andererseits gesenkt werden und sollte in jedem Fall unter einem Prozent liegen. Jedes Krankenhaus ist verpflichtet, Hygienebeauftragte zu ernennen. Ein externer Facharzt kontrolliert Hygienestandards, Hygienemaßnahmen. Ob diese so wichtigen Vorschriften in allen Spitälern eingehalten werden, weiß jedoch niemand.

Ein alljährlich erscheinender bundesweiter Bericht über die Infektions- und Komplikationsrate an unseren Krankenhäusern wäre eine wertvolle Orientierungshilfe für Patienten. Man könnte Infektionsnestern ausweichen.

Es gibt beispielsweise Hinweise, dass die Hygienestandards an Heeresspitälern nicht sonderlich hoch sind. Bedenkt man, dass der Staat seine Präsenzdiener weder kranken- noch unfallversichert hat - was ich für einen Skandal halte -, bedenkt man also, dass die unversicherten Jungmänner angehalten sind, im Ernstfall die Heeresspitäler aufzusuchen und die guten öffentlichen Krankenhäuser zu meiden, sollten Hygienestandards und Heilungsergebnisse an diesen Heereseinrichtungen besonders genau überprüft werden. Frau Minister Hostasch sollte einmal bei ihrem Kollegen Fasslabend nachfragen.

Abgesehen von Infektion, Mitverletzung von Nerven und Gefäßen im Rahmen der Präparation im Operationsgebiet, Materialfehlern bei Implantaten, Nebenwirkung von Medikamenten gibt es auch das schlechte Ausheilungsergebnis als solches, ohne intra-oder postoperative Komplikation. Der eine betreibt mit zwei Hüftprothesen Skilauf alpin, Radsport, spielt Tennis und wandert durch Wald und Flur, während der andere nach der Hüftoperation an den Rollwagen gefesselt bleibt.

Natürlich spielen das Alter und der allgemeine Gesundheitszustand des Patienten eine entscheidende Rolle, wie weit eine Wiederherstellung gelingt. Wobei nicht alle alten Patienten das Glück haben, nach der Operation an eine Rehabilitationsabteilung zu gelangen. Gerade bei alten Patienten ist die intensive Mobilisierungsbehandlung entscheidend für das gute Ausheilungsergebnis.

Fehlende Nachbehandlung in der Altenchirurgie ist wohl der häufigste gesundheitspolitische Kunstfehler. Geahndet wird dieses Delikt nicht. Schlecht betreute Alte schreien nicht laut genug.

Es lassen sich aber auch noch andere Ursachen für unzureichende oder beschämend schlechte Behandlungsergebnisse auflisten: Geringe oder zu wenig Erfahrung mit einer Operationsmethode, fehlende Nachkontrolle der erzielten Operationsergebnisse, also mangelnde Qualitätssicherung durch fehlende Selbstkontrolle. Man operiert hurtig vor sich hin und hat keine Ahnung von den Spätergebnissen, ignoriert vielleicht auch auftretende Unzufriedenheit von Patienten. Das alles wohl auch im Wissen, dass das schlechte Ergebnis ja nicht einklagbar ist.

Ein häufiger, ja oft hektischer Methodenwechsel, bedingt durch stets neu auf den Markt kommende Implantate und Gerätschaften der technischen Zulieferindustrie, führt zu Erfahrungsdefiziten. Es gibt sie zwar, die Lernkurse: Die ersten zehn Patienten haben mehr Komplikationen auszuhalten als die nächsten hundert. Nur, wer von den Patienten weiß, ob er der erste, nach dieser Methode zu operierende "Fall" ist, oder ob der Herr Chirurg schon reichlich Erfahrung sammeln durfte?

Die hohe Komplikationsrate im Rahmen der Fernkurse von Operateuren kommt dem Tatbestand des Kunstfehlers schon sehr nahe. Ein so erzieltes schlechtes Ausheilungsergebnis ist zu entschädigen.

Um der Gerechtigkeit willen, aber auch um die oft für beide Seiten gleich mühsame wie anstrengende Feindstellung zwischen Arzt und Patient zu umgehen, sollte die schuldunabhängige Medizinhaftung eingerichtet werden.

Auch beim Arbeitsunfall wird nicht nach der Schuld des Arbeitgebers gesucht, sondern es tritt der Versicherungsfall ein, die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt ist zur bestmöglichen Behandlung und Nachbetreuung, zur ausreichenden Rentenleistung verpflichtet. Kunstfehler und schlechte Behandlungsergebnisse sollten versicherungstechnisch gleichgestellt und entsprechend entschädigt werden. Der Innsbrucker Rechtsgelehrte Univ.-Prof. Dr. Heinz Barta hat dies 1995 in einer umfassenden Schrift vorgeschlagen ("Medizinhaftung", Innsbruck, 1995).

Auch wenn die Berichterstattung zum Thema Kunstfehler nach dem bekannten Opfer-Täter-Prinzip verlief und mehr nach Schuldigen denn nach Lösungen suchte, war die Herstellung von Öffentlichkeit richtig. Die Politik wird das Prinzip der Medizinhaftung nur dann realisieren, wenn der Mediendruck zunimmt.

Dr. Werner Vogt ist Unfallchirurg und Publizist in Wien.
Teil 1 dieses Beitrags erschien am 11. September 1999.