Kandahar - Unter dem Eindruck des Flüchtlingselends in Afghanistan drängen die Vereinten Nationen die Bürgerkriegsparteien zu einem Waffenstillstand. Der UNO-Flüchtlings-Hochkommissar Ruud Lubbers traf am Dienstag im Hauptquartier der herrschenden Taliban-Milizen in Kandahar ein, um der Forderung Nachdruck zu verleihen. Eine Waffenruhe zwischen Taliban und der international anerkannten Regierung des Präsidenten Burhanuddin Rabbani, die nur noch fünf Prozent des afghanischen Territoriums kontrolliert, würde die Hilfe für Millionen Menschen erleichtern, die ihre Heimat verlassen haben oder vom Hungertod bedroht sind. Die UNO spricht von einer humanitären Katastrophe in Afghanistan. Rund eine halbe Million Menschen leben als Flüchtlinge im eigenen Land, meist in katastrophalen Verhältnissen in Lagern. Viele Menschen sind in Nachbarländer geflohen, vor allem nach Pakistan. Rund vier Millionen Afghanen drohen zu verhungern. In den Taliban-beherrschten Gebieten werden ethnische und religiöse Minderheiten verfolgt und Frauen völlig entrechtet. Am Mittwoch wollte der niederländische Ex-Ministerpräsident Lubbers die UNO-Forderung auch der Nordallianz von Ahmed Shah Massud, dem Militärführer der Rabbani-Regierung, übermitteln. Im Norden Afghanistans toben derzeit schwere Kämpfe zwischen Taliban-Milizen und Verbänden der Nordallianz im Gang. Lubbers besuchte das Flüchtlingslager Maslakh, das größte von sechs UNO-Lagern in der Provinz Herat, wo 100.000 Afghanen zusammengedrängt leben. Fast 2000 Flüchtlinge treffen hier täglich ein. Nach Angaben von UNO-Mitarbeitern gibt es kaum Wasser und das Essen wird knapp. Taliban-Kommandant Mohammed Saifuddin erklärte am Dienstag, der Flüchtlingsstrom der vergangenen Monate habe sich in eine Flut verwandelt. Ein Grund dafür ist die anhaltende Dürre in weiten Teilen des Landes. Das Flüchtlings-Hochkommissariat UNHCR hat die internationale Gemeinschaft um 226 Millionen Dollar Krisenhilfe für Afghanistan gebeten. Bisher gingen aber nur knapp 20 Prozent der Summe ein. (APA/AP)