Welt
"Manager denken in falschen Bahnen"
Management-Kybernetiker Stafford Beer warnt: Das Fehlen ganzheitlicher Modelle kann zu wirtschaftlichem Kollaps führen
Wien - Dass Manager nicht in systemischen
Begriffen denken, sei ihr häufigster Fehler, meint Stafford Beer,
Wissenschaftler und Begründer der Management-Kybernetik. "Wer zuviel
vereinfacht und reduziert, begeht die größten Fehler", so Beer. Ganzheitliches Denken werde häufig mit
Reduzieren verwechselt. Am Beispiel der britisches Eisenbahnen könne man
dies ganz deutlich nachvollziehen.
Die Zerschlagung in einzelne Systeme entspricht nicht den Anforderungen,
denen sie entsprechen könnten", so Beer. Schuld daran wären auch die
Universitäten, da sie solche ganzheitlichen Modelle nicht lehren. "Selbst die
besten demokratischen Prozesse erzeugen nicht mehr als einen kleinsten
gemeinsamen Nenner. Vereinfacht wird das Konsens genannt. Aber damit
lassen sich keine Probleme lösen", meint der Wissenschaftler. In der
Kybernetik gehe es nicht um die Zahl unter dem Strich – also nicht um den
kleinsten gemeinsamen Nenner – sondern um die Zahl über dem Strich. Das
sei der größte gemeinsame Faktor.
Viable Systems Model
Ein lebensfähiges Unternehmen erfüllt laut Beer eine Reihe von
Managementfunktionen - wie zum Beispiel die Regulierungsfähigkeit der
Grundfunktionen eines Unternehmens, die Verstärkung oder Abschwächung
von bestehenden Schwankungen und zur Koordination aller Aktivitäten via
Information und Kommunikation, die Schaffung eines ausgeglichenen
Optimalwertes unter allen Grundfunktionen, der professionelle Umgang mit
langfristigen Entwicklungen und mit der Unternehmensumwelt. Jede
Schwäche in diesem System - fehlende oder zu leistungsschwache
Funktionen oder eine mangelnde Wechselwirkung zwischen den Funktionen
gefährdet die Lebensfähigkeit der Organisation. Beer nennt dieses System
"Viable Systems Model" (VSM).
"Ein System- und Unternehmen sind lebende Systeme- hat erst eine
Identität, wenn es stabil ist. Doch Stabilität bedeutet nicht Stillstand,
sondern eine Grundvoraussetzung für kohärentes Lernen. Dieses ermöglicht
wiederum Anpassung, diese ermöglicht dann erst Evolution. Das ist
Lebensfähigkeit", so der Wissenschaftler.
"Die Probleme der New Economy sind aus dem Reduktionismus entstanden. In
Wahrheit hat sich keiner mit Technologie ausgekannt, keiner hatte eine
ganzheitliche Sicht der Dinge. Es wurde von virtueller Realität gesprochen.
Letztlich war der ganze Boom virtuell", so Beer. Mitgefühl mit denen, die
abgestürzt sind, habe er keines entwickelt. Dieses habe er vielmehr mit
jenen, die noch immer hungern und von medizinischer Versorgung
ausgeschlossen sind. Das sei nur auf das fehlende Wissen in Systemen und
der Kybernetik zurückzuführen. Das gelte leider auch für Politiker. (pte)