Schlechtes Timing: Ausgerechnet vor dem 3. Mai, dem Tag der Pressefreiheit, sorgt eine Entwurf von Justizminister Dieter Böhmdorfer (FPÖ) für Aufregung. Böhmdorfer will Journalisten und Beschuldigte, die Akten aus gerichtlichen Vorverfahren zitieren, mit bis zu sechs Monaten Haft bestrafen lassen. In Zukunft werden sich Anwälte und Beschuldigte, die Prozessakten an Medien weitergeben, strafbar machen, wenn sie dadurch "Interessen Dritter" verletzen. Der Falter hatte diesen Paragraph 56, einen Teil des Entwurfs zur Vorverfahrensreform, publik gemacht. Die sofort einsetzende Kritik versuchte Böhmdorfer so zu entkräften: Intention sei, die Privatsphäre eines jeden Menschen, der an einem Verfahren nicht beteiligt ist, zu schützen. Es gehe nur darum, Informationen, die nicht unmittelbar der Wahrheitsfindung dienen, aber die Privatsphäre eines unbeteiligten Dritten betreffen, nicht der Öffentlichkeit bekannt zu geben. Die Kritik an seinem Entwurf wie Böhmdorfer scharf zurück: "Wer dem Begutachtungsentwurf einen Anschlag auf die Pressefreiheit unterstellt, hat ihn entweder nicht gelesen oder nicht verstanden." Diese Kritik ließ die Kritiker nicht verstummen: SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim sieht das Vorhaben als "Skandal" und als Attacke auf die Pressefreiheit. Mit dem Versuch, nicht willfährige, unabhängige und kritische Journalisten einzuschüchtern, habe Böhmdorfer einmal mehr unter Beweis gestellt, dass er als Justizminister untragbar sei. Ähnlich der Grüne Peter Pilz: Er bewertet Böhmdorfers Entwurf schlicht als "DDR-Methode": "Ein schwer belasteter Justizminister versucht, die Meinungsfreiheit zugunsten seiner Partei und seiner Person einzuschränken." Auch die Journalistengewerkschaft sieht den Entwurf als "alarmierenden Anschlag auf die Meinungsfreiheit": Sei doch mit diesem Passus nach der Meinung von Vorsitzendem Franz C. Bauer etwa keine Berichterstattung über brisante Fälle wie den Spitzelskandal mehr möglich. (eli, DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 2.5.2001)