Berlin - Nach der Abweisung von Sammelklagen ehemaliger Nazi-Zwangsarbeiter in den USA hofft die deutsche Wirtschaft, dass die Anwälte der Opfer ihre hohen Entschädigungs-Forderungen nun zurückschrauben. Der Sprecher der Stiftungs-Initiative der deutschen Wirtschaft, Wolfgang Gibowski, sagte am Dienstag, die Wirtschaft sei durch die Richtersprüche in ihrer Position bestätigt worden. Zwei Richter des Bezirksgerichts im US-Bundesstaat New Jersey hatten am Montag in getrennten Urteilen die Sammelklagen gegen die deutschen Unternehmen Degussa-Hüls, Siemens und Ford abgewiesen. Gibowski sagte, die Initiative hoffe nun, dass die Vorstellungen der Anwälte sich mehr ihren Vorstellungen annäherten. Die Stiftungs- Initiative werde trotz des Erfolgs der drei Unternehmen weiter "ihre humanitären Anliegen konsequent weiterverfolgen" und sei zu Entschädigungs-Zahlungen weiter bereit. US-Anwälte verlangen 30 Milliarden Dollar Entschädigung Die US-Anwälte hatten von der deutschen Wirtschaft bis zu 30 Milliarden Dollar (29,0 Mrd. Euro/399 Mrd. S) Entschädigung für die Zwangsarbeiter verlangt. Die Gesprächen ziehen sich bereits mehrere Monate hin. Die Stiftungs- Initiative hat bislang noch keine Zahlen auf den Tisch gelegt. Nach einem Gespräch mit dem deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder in der vergangenen Woche kündigte die Firmen-Initiative allerdings an, sie werde bei den nächsten Verhandlungen in Washington am 6. und 7. Oktober "eine mit Zahlen untermauerte Position" vorstellen. Die Stiftungs-Idee sieht vor, dass Unternehmen in einen Fonds einzahlen, aus dem die Entschädigungsleistungen fließen sollen. 40 weitere Klagen gegen deutsche Unternehmen in den USA Die am Montag ergangenen Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Zudem gibt es noch etwa 40 weitere Klagen gegen deutsche Unternehmen in den USA. Auch Gibowski wies darauf hin, dass mit den Richtersprüchen noch lange nicht der juristische Streit in den USA beigelegt sei. Der Beauftragte der deutschen Regierung, Otto Graf Lambsdorff, konnte unterdessen noch nicht absehen, wie sich die Richtersprüche auf die nächste Verhandlungsrunde auswirken werden. "Das bleibt abzuwarten", sagte er der dpa. Inhalt der Gespräche sei aber immer auch die Rechtslage gewesen. Gericht: Firmen sind moralisch verpflichtet, bestimmte Ansprüche zu erfüllen Kern-Argument der Gerichte war, dass die Sammelklagen nicht vor US-Gerichte gehören. Diese Position hatte nach Gibowskis Angaben auch die deutsche Regierung in einem Schreiben an das Gericht vertreten. Einer der zuständigen Richter hatte aber auch erklärt, die Firmen seien aus seiner Sicht moralisch dazu verpflichtet, bestimmte Ansprüche von Zwangsarbeitern aus der Nazi-Zeit zu erfüllen. Die deutschen Firmen begrüßten den Urteilsspruch. Degussa-Hüls betonte, man wolle unabhängig von dieser Entscheidung des Gerichts die Stiftungs-Initiative der deutschen Wirtschaft "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" weiter aktiv begleiten. Siemens sah ebenfalls seine Rechtsmeinung bestätigt. Gleichzeitig sei zu hoffen, dass der geplante Stiftungsfonds der deutschen Wirtschaft in Kürze ins Leben gerufen werden könne, sagte Siemens-Sprecher Eberhard Posner am Dienstag in München. Die Bemühungen gingen weiter. Siemens hatte bereits vor etwa einem Jahr einen eigenen Fonds zur Zwangsarbeiter-Entschädigung in Höhe von 20 Millionen Mark (10,23 Mill. Euro/140,8 Mill. S) eingerichtet. Davon seien bisher zehn Millionen Mark an etwa 1.000 ehemalige Zwangsarbeiter ausbezahlt, sagte Posner. "Ob die 20 Millionen Mark ausreichen werden, wissen wir noch nicht." (APA/dpa)