Europa
München: Ermittlungen gegen mutmaßliche NS-Verbrecher eingeleitet
Drei Männer sollen an Übergriffen in Russland beteiligt gewesen sein
München - 56 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges ist die Staatsanwaltschaft München I drei mutmaßlichen
NS-Verbrechern auf der Spur. Die drei Männer sollen vom November 1942 bis zum Frühjahr 1943 an Übergriffen gegen die
Zivilbevölkerung in Russland beteiligt gewesen sein, bei denen zahlreiche Opfer ermordet wurden, sagte Behördenchef Manfred Wick am
Samstag in München.
Die Übergriffe hätten sich gegen Dorfbewohner, als Partisanen verdächtigte Personen, aber auch gegen Kinder und Greise gerichtet. "Auch
Kranke und Verwundete sollen erschossen worden sein", berichtete Wick. "In einem Fall ging es um 70 Personen, die in einer Scheune
zusammengetrieben wurden. Durch Anzünden der Scheune wurden diese Menschen dann ermordet."
Ermittlungsverfahren weitergeleitet
Die Beschuldigten aus den Geburtsjahrgängen 1909, 1917 und 1918 - einer davon lebt im Raum München - hätten damals zur deutschen
Feld-Gendarmerie gehört. Das Ermittlungsverfahren sei durch einen Hinweis der Zentralen Stelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in
Ludwigsburg aufgenommen worden. Die Zentralstelle habe sich dabei auf Informationen aus Stasi-Unterlagen bezogen.
Bei einem anderen Komplex befänden sich die Strafverfolger noch im Stadium der Vorermittlungen, berichtete Wick. Der Beschuldigte in
diesem Fall soll zwischen Oktober 1944 und Mai 1945 an zahlreichen Übergriffen gegen die Zivilbevölkerung in der Mittel- und
Westslowakei beteiligt gewesen sein. Dies werde in einem Haftbefehl der slowakischen Behörden ausgeführt, der nach Deutschland
übermittelt worden sei. Die Münchner Staatsanwaltschaft habe nun Kopien der Akten aus der Slowakei angefordert. Von deren Auswertung
werde es abhängen, ob in Deutschland ein förmliches Ermittlungsverfahren gegen den Mann eingeleitet werde, sagte Wick.
Folterungen und Erschießungen
Bei den Übergriffen, an denen dieser Beschuldigte des Geburtsjahrgangs 1917 beteiligt gewesen sein soll, wurde nach Informationen aus der
Slowakischen Republik eine große Anzahl von Zivilpersonen gefangen genommen. "Einige davon sollen auch getötet worden sein", sagte
Wick. In dem slowakischen Haftbefehl sei auch von Folterungen und Erschießungen die Rede. Der Beschuldigte habe während der
Kriegsjahre als Mitglied einer so genannten Abwehrgruppe mit den Deutschen zusammengearbeitet.
Der Mann sei gebürtiger Slowake und habe als vorübergehend Staatenloser Mitte der 90er Jahre die deutsche Staatsbürgerschaft
angenommen. Die Münchner Behörden hätten die Ermittler in der Slowakischen Republik angesichts des hohen Alters des Beschuldigten um
rasche Zusendung der beglaubigten Abschriften der Akten gebeten, sagte Wick. Seit Absendung dieses Schreibens im September 2000
warte man aber auf den Eingang der Unterlagen. (APA/dpa)