Paul Murschetz

Dass medienpolitische Vorstöße zur sehnlichst erwarteten Reform der Presseförderung in Österreich bisher nur rhetorischen Charakter besaßen, ist hinlänglich bekannt: Die Fundamentalkritik am status quo durch Schaffung eines Regelwerkes zu entkräften, das über direkte Förderungen strukturelle Ungleichgewichte des Marktes auf Basis von objektiv nachprüfbaren und automatisch anwendbaren Regeln korrigiert, ist in den vergangenen Legislaturperioden nicht gelungen.

Unter Federführung des österreichischen Medienexperten Josef Trappel legte nun vor kurzem das Basler Prognos-Institut ein umfassendes Weißbuch zur Presseförderung in Österreich vor, das immerhin von der Absicht getragen scheint, mit dieser Tradition zu brechen, indem es auf der Grundlage vergleichender Untersuchungen europäischer Presseförderungssysteme darauf abzielt, "den inhaltlichen Qualitätswettbewerb zu fördern und zur Erreichung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit einzelner Titel beizutragen".

Wie im STANDARD mehrfach berichtet, sieht das Weißbuch ein Drei-Säulen-Modell vor, das neben einer Vertriebsförderung eine operative Presseförderung sowie eine Innovations- und Strukturförderung einrichtet. Kostenintensivstes Kernstück der erstellten Reformbemühungen bilden an erfolgreiche skandinavische Praxis angelehnte, nicht rückzahlbare Betriebszuschüsse (operative Presseförderung), die direkt und selektiv an nicht marktführende "Zweitzeitungen", sprich: den zweiten Rang im jeweiligen Verbreitungsgebiet einnehmende und damit wirtschaftlich schwächere Zeitungen, gehen sollen.

Förderungswürdig sind diese marktschwächeren Tageszeitungen nur dann, wenn sie nachprüfbar nicht weniger als 10.000 und nicht mehr als 60.000 Stück pro Tag im Jahresdurchschnitt verkaufen und wenn nicht mehr als die Hälfte ihres jährlichen Seitenumfangs aus Anzeigen be-
steht.

Ziel dieses Fördermodells scheint also zu sein, relativ niedrigauflagige, das heißt schlecht verkaufte und naturgemäß anzeigenschwache (Auflagen-Anzeigenspirale!) Zweitzeitungen mit Millionensubventionen zu beglücken, um dadurch mindestens zwei konkurrierende Presseangebote im regionalen Raum zu erhalten.

Fragwürdig ist, warum Prognos die Förderobergrenze von 60.000 verkauften Exemplaren vorschlägt, wenn man weiß, dass dies zur Folge hätte, dass einerseits kulturtragende Qualitätszeitungen wie STANDARD, Presse und Salzburger Nachrichten um ihre lebenswichtige finanzielle Unterstützung gebracht, andererseits aber regionale Blätter wie die Neue Zeit, die Kärntner Tageszeitung oder das Neue Volksblatt bevorzugt würden. Letztere entzogen sich bislang darüber hinaus einer Überprüfung ihrer verkauften Auflage durch die Österreichische Auflagenkontrolle.

In diesem Zusammenhang geht es nicht um die Verteidigung partikularer Herausgeberinteressen, sondern darum, den Gesetzgeber anzuhalten, eine Reform der Presseförderung in die Wege zu leiten, die Außenpluralität, das heißt Vielfalt durch Vielzahl an Tagestiteln, wenn nicht fördert, so doch gewährleistet.

Wenn man aber obige Qualitätszeitungen von zukünftiger Förderung ausschließt, riskiert man deren Abdriften in anzeigenorientierte Kommerzialität und Boulevardisierung, was seinerseits wiederum innere Meinungsvielfalt und damit auch qualitätsbetonten Nachwuchsjournalismus gefährdet.

Dass im Weißbuch mit zweierlei Maß gemessen wird, zeigt sich auch daran, dass die Krone/Kurier-Tochter Mediaprint, geht es nach den Reformvorschlägen von Prognos, unter dem Titel der Vertriebsförderung des Drei-Säulen-Modells dafür entlohnt werden soll, STANDARD und/oder Presse in ihre morgendliche Hauszustellung aufzunehmen. Anstatt, wie etwa in Schweden, neben der Post den Aufbau von regionalen Zustellkooperativen zu fördern, die von kooperationswilligen Zeitungen selbst getragen werden, wird auf den Goodwill von Mediaprint vertraut, die, obwohl auf öffentliche Förderungen ohnedies am liebsten verzichtend, dafür noch staatliche Gelder einstreichen soll. Eine solche Anreizförderung zur Ausweitung bestehender Vertriebsapparate von Mediaprint ist jedenfalls vor dem Hintergrund ihrer wirtschaftlichen wie publizistischen Macht demokratiepolitisch bedenklich.

Die von Prognos vorgeschlagene Einrichtung eines Innovations- und Strukturförderungsfonds, der auf Projektbasis Qualitätswettbewerb fördern und, wie etwa in Frankreich, on-line Experimente von Zeitungen unterstützen soll, ist grundsätzlich lobenswert, jedoch in ihrer Zielorientierung verwirrend. Kleine Zweitzeitungen wie das Salzburger Volksblatt würden darin etwa zu Innovationen eingeladen, die sie kaum benötigten und auch längerfristig nicht selbst tragen könnten. Darüber hinaus lehnen nahezu alle Verleger diese Innovationsförderung ab, weil der redaktionelle Ausbau nur an Einzelprojekte gebunden wäre und somit keine längerfristige strukturverbessernde Wirkung hätte.

Bleibt nur zu hoffen, dass der Gesetzgeber sich endlich dazu durchringt, Strukturen zu schaffen, die nicht nur dem Anspruch nach eine möglichst hohe Informations- und Qualitätsvielfalt im Medienangebot sicherstellt. Was insbesonders fehlt, ist eine medienpolitische Gesamtkonzeption, die auch eine Verteilung von Fördermitteln auf neue Medienangebote mitdenkt.

Paul Murschetz ist freier Medienwissenschafter bei PUBLIC VOICE Lab (http:// www.pvl.at), Wien.