Maria Rauch-Kallat, die Generalsekretärin der ÖVP, hat mit ihrer Solidarität mit Silvio Berlusconi einmal mehr die ihr eigene "Sensibilität" ans Licht der Öffentlichkeit gebracht. Dabei verstieß sie mehrfach gegen Grundregeln eines Politikers. Zum Beispiel, dass man sich in der Thematik, über die man spricht, auskennen soll. Oder dass man sich nicht durch unqualifizierte Zwischenrufe in einen ausländischen Wahlkampf einmischt. Oder dass man durch Bekenntnisse zu einer äußerst umstrittenen Person wie Berlusconi nicht die eigenen Freunde wie die Südtiroler Volkspartei oder die anderen christdemokratischen Parteien Italiens vor den Kopf stößt. Gemeinhin bezeichnet man solches Verhalten als Trampeln des Elefanten im Porzellanladen. Hätte das Ganze nicht einen ernsten Hintergrund, könnte man Rauch-Kallats Äußerungen im Corriere della Sera als Wortspende einer zweitrangigen Politikerin abtun. So hat Berlusconis Kandidat in Südtirol, Franco Frattini, die Südtiroler Autonomie als rein inneritalienische Angelegenheit bezeichnet, die jederzeit abänderbar sei. Das ist aber nur im Einvernehmen mit der Schutzmacht Österreich möglich, was Rauch-Kallat offensichtlich entgangen ist. Das Mitte-rechts-Bündnis will Teile der Autonomie infrage stellen. Dazu ist der Generalsekretärin nichts eingefallen, auch nicht zum Faktum, dass Frattini ebenso wie Berlusconi Bündnisse mit Neofaschisten geschlossen hat. In Österreich macht die ÖVP bei der ORF-Reform negative Erfahrungen mit medialer Übermacht. In Italien beherrscht Berlusconi die Hälfte des landesweiten Fernsehens. Sollte er tatsächlich Ministerpräsident werden, steht auch das Staatsfernsehen RAI unter seinem Einfluss. Kein Problem für Rauch-Kallat. Manche sehen eben lieber schwarz-weiß. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 9. 5. 2001)