Christian Spiessberger

Familienpolitik ist eines der zentralen Themen des laufenden Wahlkampfes. Aus meiner Perspektive als Mann beschäftigen mich folgende Fragen:

O Welche unausgesprochenen Vorstellungen von Familie stehen hinter den familienpolitischen Konzepten der einzelnen Parteien?

O Welche Rolle wird Männern darin zugestanden?

O Welche Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten sollen Männern als Vater und ihren Kindern dadurch eröffnet werden?

Die Antworten fallen ernüchternd und enttäuschend aus: Eine andere Rolle als die des traditionellen, die Familie materiell versorgenden, häufig von ihr abwesenden Ernährers bekommen Männer von den Parteien nicht zugestanden. Die klassischen Rollenverteilungen erweisen sich einmal mehr als erstaunlich hartnäckig.

Am deutlichsten ist dies in der SPÖ wahrnehmbar, was nicht weiter verwunderlich ist, wird doch Familienpolitik weitgehend einer Form von Frauenpolitik gleichgesetzt, die sich am feministischen Mainstream orientiert, der in seiner Männerabwertung die traditionelle Männerrolle zementiert: Väter sind in erster Linie zum Zahlen da, Frauen ziehen die Kinder alleine groß.

Die plakative Forderung nach Vereinbarkeit von Beruf und Familie soll durch ein flächendeckendes Netz von Kinderbetreuungseinrichtungen erfüllt werden, ungeachtet der Tatsache, dass nur neun Prozent der Mütter mit Kindern unter sieben Jahren eine Vollerwerbstätigkeit als ideal bezeichnen, empirisch kein klarer Zusammenhang zwischen Wiedereinstieg und Kinderbetreuungsangebot besteht und jeder fünfte derzeit vorhandene Ganztagsbetreuungsplatz nur halbtags genutzt wird.

217.724 Kinder besuchten 1997 einen Kindergarten, nur 8089 Kinder bis drei Jahre eine Kinderkrippe. Ein Beispiel dafür, wie ideologische Motive den Blick auf reale Bedürfnisse verstellen und hinderlich sind, Modelle zu entwickeln, die zu einer für beide Geschlechter gerechten Aufteilung von Erwerbs- und Hausarbeit führen.

Klischees bevorzugt

Das Modell der ÖVP "Karenzgeld für alle" (auf den Wahlplakaten noch durch "Mütter" ergänzt, damit klar wird, wer tatsächlich zuhause bleiben soll!), wird jedenfalls keine Erhöhung väterlicher Anwesenheit in der Familie bringen. Die zur Zeit zwei Prozent Karenzväter sind entweder arbeitslos oder haben eine gut verdienende Partnerin. Das zeigt klar, dass zu viele Familien ohne den Vollerwerb des Mannes finanziell nicht überleben können. Ein Modell, das 80 Prozent des Letztverdienstes für den/die Karenzgeldbezieher/in vorsehen würde, ergänzt durch das Recht auf Teilzeit für berufstätige Eltern, würde daran einiges ändern.

Der FPÖ gelingt es, eine Variante der Machbarkeitsstudie des Österreichischen Instituts für Familienforschung (ÖIF) als "Jörg-Haider-Modell" zu präsentieren. Dass dies die derzeit einzig große familienpolitische Vision in ein schiefes Licht geraten lässt, ist umso bedauerlicher, als der "Kinderbetreuungsscheck" in Verbindung mit Recht auf Teilzeit, flexiblen Arbeitszeit-und Verdienstmodellen, sowie effektiven Wiedereinstiegshilfen ein emanzipatorisches Modell ist, das Frauen und Männern die Möglichkeit eröffnet, in Eigenverantwortlichkeit und ohne Bevormundung des Staates individuelle partnerschaftliche Lebenskonzepte längerfristig zu realisieren.

Wie unbewusst und tief verwurzelt Geschlechtsrollenklischees allen gegenteiligen verbalen Beteuerungen trotzen, führen die Grünen auf ihren Wahlplakaten vor Augen: Mann Van der Bellen schützt die Umwelt und passt auf Österreich auf, während Frau Petrovic gutes Essen sichert.

Viel Änderung scheint nicht in Sicht zu sein für uns Männer, zumindest wenn es nach den Vorstellungen der Politikerinnen und Politiker geht. Die, die begonnen haben, über ihr Mann-Sein in dieser Gesellschaft nachzudenken und sich manches anders wünschen, werden darüber enttäuscht sein. Sie müssen sich wie ich damit abfinden, in einem Land zu leben, das zwar mittlerweile zu Europa gehört, in dem aber traditionelle Männlichkeit und Feminismus ihre Denk- und Handlungsmuster so gut aufeinander abgestimmt haben, dass ein Diversionsgesetz acht Jahre bis zum Inkrafttreten braucht, und Österreichs Obsorgerecht dem Deutschlands vor 1982 entspricht!

Mag. Christian Spiessberger (Jahrgang 1956), Lehrer und Pädagoge, lebt in Gmunden.