Wien - "Am erschreckendsten ist für mich, wie sehr Gewalt gegen Kinder in unserer Gesellschaft verbreitet ist." Derart kommentierte Montag FP-Familienminister Herbert Haupt den von ihm vorgestellten - vorläufigen - "Gewaltbericht 2001", der aus Anlass des dienstäglichen "Internationalen Tags der Familie" erstellt wurde. Aktuelle Zahlen lägen zwar noch nicht vor, doch sei die Zahl der einschlägigen Anzeigen seit 1998 "um etwa 20 Prozent gestiegen", so Haupt. Damals gab es knapp 300 Anzeigen wegen Quälens oder Vernachlässigens von Minderjährigen und knapp 700 Anzeigen wegen Beischlafs oder Unzucht mit Kindern. Sensibilität in der Öffentlichkeit gestiegen Die Zunahme der Anzeigen will Haupt jedoch nicht mit einer Zunahme der Delikte gleichsetzen, vielmehr sei die Sensibilität in der Öffentlichkeit gestiegen. Aufgrund der vermuteten Dunkelziffer sei im Bereich Aufklärung aber "noch einiges" zu leisten. Haupt zufolge "lebt jeder Fünfte in einer Beziehung, in der Frauen oder Kinder von Gewalt betroffen sind". Laut Bericht müsse davon ausgegangen werden, dass es in Österreich jährlich bis zu 25.000 Fälle von sexueller Gewalt gegen Kinder gebe. Bis zum zwölften Lebensjahr seien Bu- ben häufiger Opfer als Mädchen, ab diesem Zeitpunkt drehe sich das Verhältnis um. Das Gros der fast ausschließlich männlichen Täter stamme aus der eigenen Familie. Gewalt gegen Männer Der "Gewaltbericht 2001" geht auch - um die Dringlichkeit von Haupts Männerabteilung zu unterstreichen - auf die Gewalt gegen Männer ein. Diese sei laut Haupt "weiter verbreitet, als man landläufig glaubt, besonders bei Scheidungsfällen oder Bedrohungen am Arbeitsplatz". Zahlen gibt es diesbezüglich jedoch noch keine. Zum "Internationalen Tag der Familie" wünschte sich Haupt, dass "die österreichische Bevölkerung 365 Tage im Jahr sensibel gegenüber der Gewalt in der Familie ist". Johannes Fenz, Präsident des "Katholischen Familienverbandes", hat noch weitere Anliegen: Die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes sei zwar prinzipiell zu begrüßen, "sie schafft aber noch kein familienfreundlicheres Umfeld". Politik und Gesellschaft seien aufgefordert, Maßnahmen zu setzen, damit Kinder im öffentlichen Raum "in erster Linie als Bereicherung und nicht als Störfaktoren wahrgenommen werden". Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen und Männer Notwendig seien auch Schritte, die eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen und Männer ermöglichen. "Flexibilität darf keine Einbahnstraße sein und nicht nur von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern verlangt werden", so Fenz. (fei, DER STANDARD Print-Ausgabe 15.Mai 2001)