Asien & Pazifik
Indonesien: Schriftsteller alarmiert über Bücherverbrennungen
Hatz gegen "kommunistisches Gedankengut" habe das Land um "50 Jahre zurückgeworfen"
Jakarta - Schriftsteller und Wissenschaftler in
Indonesien sind alarmiert über die jüngsten Bücherverbrennungen
durch moslemische Extremisten. Der Kreuzzug der Islamisten gegen
sogenanntes 'kommunistisches Gedankengut' aller Art hat jedoch
offenbar auch eine politische Stoßrichtung.
Mehrfach haben in der vergangenen Woche moslemische Gruppen
Buchhandlungen und Büchereien in Jakarta und anderen Städten
gestürmt. Dabei suchten sie vorzugsweise nach Büchern, die sich
mit dem Kommunismus befassten, und nach linken Autoren. Unter den
verbrannten Büchern waren auch Werke des preisgekrönten und
international renommierten indonesischen Schriftstellers Pramoedy
Ananta Toer.
Titel aus den Regalen genommen
Indonesiens größte Buchhändlerkette 'Gramedia' hat aus Furcht
vor weiteren Übergriffen bereits reagiert und mindestens 20 Titel
aus den Regalen genommen. Dabei handelte es sich auch um Werke,
die sich aus reinem wissenschaftlichen Interesse mit Marxismus und
Leninismus und zudem sehr kritisch auseinandersetzen.
"Die die Serie der Attacken sind ganz klar ein schwerer
Rückschlag", stellt Hermawan Sulistyo, Politikforscher am
Indonesischen Institut der Wissenschaften (LIPI), fest. "Die
Bücherverbrennungen haben Indonesien um 50 Jahre zurückgeworfen."
Auch Werke von Sulistyo fielen den moslemischen Bücherverbrennern
zum Opfer.
Agriff auf Demokratie
"Die Verbrennung von Bücher sollte als Angriff auf die
demokratische Grundordnung Indonesiens gewertet werden", fordert
der Philosophiedozent Franz Magnis Suseno. Auch sein Buch über
Karl Marx, eine überaus kritische Bestandsaufnahme der
kommunistischen Utopie, endete auf dem Scheiterhaufen islamischer
Stoßtrupps. Dabei kommt Susenos Buch sogar zu einer ausgesprochen
negativen Wertung des Kommunismus. Offenbar reichte jedoch allein
das Wort Karl Marx auf dem Umschlageinband den Bücherstürmern.
Kommunismus als "Gift für die Jugend"
"Die Verbrennung von Büchern Susenos ist symbolisch",
rechtfertigt Suaib Didu, Anführer der Islamischen Jugendbewegung
(GPI), die Aktion seiner Gruppe. "Alle kommunistischen Bücher
müssen verbrannt werden, weil sie unsere Jugend vergiften",
erklärt er. Er habe Susenos Buch "halb" gelesen und kenne Leute,
die es ganz gelesen hätten.
Didu beruft sich wie andere Gruppen auch auf das 1966 vom
damaligen Regierungschef Suharto erlassene Anti-Kommunismus-
Gesetz. Die Vorschrift ist zwar nach wie vor gültig und untersagt
die Verbreitung kommunistischer Gedanken in Indonesien, ist jedoch
seit Jahren in Vergessenheit geraten.
Gerade die Referenz auf das Anti-Kommunismus-Gesetz, das schon
Ende der 1960er Jahre die Handhabe zu einer wahren Hexenjagd gegen
Andersdenkende in Indonesien geliefert hat, stimmt Kenner der
politischen Szene nachdenklich. Der Name Suharto komme dabei nicht
ganz zufällig ins Spiel, vermuten sie.
Anscheinend steckten hinter der Bücherkampagne bislang nie in
Erscheinung getretener Moslem-Gruppen Kräfte, die gegen
Staatspräsident Abdurrahman Wahid operierten. Seit Monaten schon
verbreiten politische Gegner, die Wahid stürzen wollen, dass seine
Unterstützer von Kommunisten infiltriert seien. In Indonesien
gelten derartige Bemerkungen als Mittel, einen politischen
Sündenbock zu schaffen.
Erinnerungen an Suharto werden wach
Die jüngste Anti-Kommunismus-Bewegung erinnere ihn sehr an das
Regime von Suharto, findet Rizal Panggabean, Forscher am Zentrum
für Friedens- und Sicherheitsstudien der Universität von Gadjah
Mada in Yogyakarta. Das Ganze sei Teil eines politischen Manövers,
das die Unterstützer von Präsident Wahid schwächen solle.
Bezeichnend scheint auch der Zeitpunkt zu sein, zu dem die
Kommunismusvorwürfe erstmals auftauchten. Im Februar waren
Hunderttausende von Anhängern Wahids aus Protest gegen den Versuch
des Parlaments, ihn zu entmachten, auf die Straße gegangen. Sie
forderten die Auflösung der Golkar-Partei, deren Gründer und
ehemaliger Vorsitzender Suharto ist und steckten mehrere
Parteilokale in Brand.
Seitdem, so scheint es, haben die Gegner Wahids den Kommunismus-
Vorwurf entdeckt. Zustatten kommt ihnen dabei, dass Wahid aus
Ostjava stammt, das vor dem Putsch Suhartos gegen Sukarno 1965
eine Bastion der kommunistischen Bewegung Indonesiens war.
Persönlich am Zeug flicken können seine Gegner Wahid aber nicht.
In Ostjava war er jahrelang Vorsitzender der 'Nahdlatul Ulama'
(NU), der mit 30 Millionen Mitgliedern stärksten
Moslemorganisation Indonesiens.
Verteidigungsstrategie von Golkar
Der Jurist Nikolas Simandjuntak vermutet hingegen weniger einen
Kampf um die Macht im Regierungspalast, sondern vielmehr den
Versuch der Suharto-Fraktion, Untersuchungen wegen Korruption zu
stoppen, die ihr gefährlich nahe kommen. "Die sogenannte Anti-
Kommunismus-Bewegung ist Teil der Verteidigungsstrategie von
Golkar."
Wie weit die selbsternannten Gesinnungswächter Rückhalt bei den
Sicherheitsorganen Indonesiens haben, ist derzeit unklar.
Allerdings wurde vielfach beobachtet, dass Polizisten untätig
daneben standen, während Moslemtrupps Buchhandlungen stürmten und
Bücher in Brand setzten.
Besonders hervorgetan hat sich bei Aktionen am 2. Mai die
Gruppierung Anti-kommunistische Allianz (AAK), die für sich in
Anspruch nimmt, ein Zusammenschluss von 33 moslemischen
Organisationen. Für den 20. Mai, den Tag der Nationalen Erweckung,
hat AAK erneut landesweite Aktionen angekündigt. Dazu erklärte der
AAK-Generalsekretär Nofal Dunggi: "Wenn wir am 20. Mai mit
kommunistischen Büchern aufgeräumt haben, wird AAK auch mit den
Kommunisten selbst aufräumen." (IPS)