Wien/Linz - Nach Ansicht der SPÖ-Umweltsprecherin Ulli Sima ist der in Melk vereinbarte Prozess über eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) des tschechischen Atomkraftwerks Temelin "gescheitert". Sima zeigte sich am Dienstag enttäuscht über die von Prag am Wochenende nachgereichten UVP-Unterlagen. Völlig unverständlich sei die positive Haltung von Umweltministers Wilhelm Molterer (V). "Molterer steht mit seiner Einschätzung zum Melker Prozess, wonach die von Prag nachgelieferten Unterlagen ausreichend sind, ziemlich alleine da." Während der niederösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer (V), der oberösterreichische Anti-Atom-Beauftragte Radko Pavlovec und sogar ein Berater des tschechischen Umweltministers sowie sämtliche Umweltorganisationen die nach langen Verhandlungen nachgereichten Unterlagen als völlig unzureichend einstuften, sehe Molterer darin eine geeignete Grundlage, kritisierte Sima. Schlag ins Gesicht Den Prozess von Melk nach den vielen Pannen als sauberen und soliden Weg zu bezeichnen sei "ein Schlag ins Gesicht der engagierten österreichischen Atomgegner", sagte Sima gegenüber dem SPÖ-Pressedienst. Durch diese Vorgangsweise werde auch wieder Widerstand an der oberösterreichischen Grenze provoziert. "Nachdem Molterer die tschechische Vorgangsweise, uns eine veraltete Studie zu liefern, widerspruchslos akzeptiert, bleibt den Betroffenen wenig übrig, als lokal Widerstand zu leisten", betonte die Umweltsprecherin. Sima: "Wir haben den Weg der Bundesregierung lange genug mitgetragen, doch auf faule Kompromisse werden wir uns sicher nicht einlassen." "Wir sind enttäuscht, ja entsetzt" - so reagierte ein Teil der oberösterreichischen Atomgegner auf die jüngsten Aussagen von Minister Molterer. Wenn Molterer die jetzt aus Prag vorgelegten Unterlagen als Basis für die Fortsetzung des Melker Prozesses ansehe, dann sei dies "die Selbstaufgabe der österreichischen Anti-Atom-Politik", meinte Josef Pühringer, der Sprecher der Plattform gegen Atomgefahren. "Wahre Katastrophe" Die jüngsten Unterlagen aus Prag seien "eine wahre Katastrophe" und eine "schwere Enttäuschung", sowohl hinsichtlich der so genannten "Nullvariante" und auch der Wirtschaftlichkeitsfragen des AKW Temelin als auch, was das Szenario möglicher schwerer Unfälle betrifft. Auf keinen Fall seien die Atomgegner bereit, bei Hearings zur UVP mit zu machen, sollte die österreichische Bundesregierung diese auf der Grundlage der bisher vorhandenen Dokumente durchführen wollen. "Solche Hearings würden von uns mit Nachdruck boykottiert", unterstrich Pühringer, der auch nicht ausschloss, dass es in absehbarer Zeit zu weiteren Grenzblockaden kommt: "Der Melker Prozess ist durch die Grenzblockaden in Gang gekommen, wenn dieser Prozess jetzt in eine völlig falsche Richtung geht, dann werden wieder Grenzblockaden notwendig sein." (APA)