London/Frankfurt - Als "Leichtfuß aus 10 Downing Street" wurde der britische Premierminister Tony Blair von einem Kommentator der "Times" nach Antritt seines Amtes vor vier Jahren betitelt. Blair und seine Labour Party kamen am 2. Mai 1997 mit einer überwältigenden Mehrheit nach 18 Jahren Herrschaft der Konservativen an die Macht. Seitdem hat der junge Premier nach Meinung von Beobachtern durchaus gezeigt, dass er der Herausforderung gewachsen ist. "In einigen Ecken im linken und rechten Spektrum wird der Mann total gehasst - nicht so sehr wegen seines Versagens, denke ich, sondern wegen seiner Erfolge", kommentiert Andrew Rawnsley in der Sonntagszeitung "Observer". Dabei habe der damals jüngste Ministerpräsident seit 1812 - gerade 43 Jahre alt - am Anfang überrascht von seinem Erdrutschsieg fast ängstlich eingestanden, dass er keinerlei Regierungserfahrung habe. Das war "Tony der Zögerliche", wie ihn Rawnsley betitelt. Die andere Seite jedoch, "Blair der Mutige", habe das Oberwasser gewonnen. Sollte Blair im Juni, wie dies Meinungsumfragen nahelegen, in seine zweite Amtszeit gehen, kann der Jurist auf die Erfahrungen seiner Arbeit aufbauen. Nicht mehr seine Frische und sein jungenhaftes Lächeln werden sich den Wählern einprägen, sondern sein gereiftes Selbstbewusstsein. Die zweite Legislaturperiode könnte nach Ansicht von Beobachtern - und den Worten Blairs - daher einschneidender sein, als so mancher denken mag. In seiner Partei hatte Blair bereits einen starken Kurswechsel eingeleitet. Er machte sie mit einem Rechtsruck zur Gruppierung für die breite Mitte. Der Name "New Labour" steht dafür. Der am 6. Mai 1953 in Edinburgh geborene Blair stammt dementsprechend auch nicht aus einer eingefleischten Labour-Familie, sondern ist Sohn eines parteipolitisch zu den Konservativen zählenden Rechtsanwalts - auch wenn er 1983 nach Studium in Oxford und Arbeit als Anwalt ausgerechnet als Labour-Kandidat des Bergarbeiterdistrikts Sedgefield den Sprung ins Londoner Unterhaus schaffte. Nach Jahren als Schattenminister für Energie- und später für Arbeitsmarktpolitik und für Inneres machte Blair sich bereits für die Beschneidung des Einflusses der früher sehr mächtigen Gewerkschaften stark. Als Parteivorsitzender seit 1994 krempelte er dann die Arbeiterpartei um: An die Stelle der Zielgrößen Vollbeschäftigung und Wohlfahrtsstaat traten freies Unternehmertum, Inflationsbekämpfung und sparsamer Staat. Blair gewann damit abseits des Arbeiterlagers so viel Vertrauen, dass er Labour 1997 zum größten Wahlsieg der Parteigeschichte führte. Sie errang rund 44 Prozent der Stimmen und 418 der 659 Sitze im Unterhaus. Hinter vorgehaltener Hand rechnet Blair erneut mit einem überzeugenden Sieg, auch wenn er nach außen keine Siegesgewissheit demonstrieren will. Die Angst vor einem Versagen wie vor vier Jahren scheint verflogen: "Verschwunden ist der sich zurückhaltende, sich entschuldigende Premierminister der ersten Amtszeit", kommentiert das Massenblatt "Sun". Von seinen Leistungen werde nun abhängen, ob Blair "in die Geschichte als der große reformierende Premier, für den er sich hält, eingehen wird". Der Umfang seiner politischen Biografie wird sich erst noch entscheiden. Blair selbst liest nach Angaben seines Biografen John Retoul gern die Geschichten großer Vorgänger und Kollegen. Ganz anders als bei David Lloyd George oder Winston Churchill sieht unterdessen das Privatleben des Premiers aus: Mit Söhnchen Leo, geboren am 21. Mai 2000, war Blair der erste amtierende Ministerpräsident seit rund 150 Jahren, der Vater wurde. Gegenüber seinen kinderlosen Herausforderern William Hague von den Konservativen und Charles Kennedy von den Liberaldemokraten hat er sich damit einige Sympathiepunkte in der Bevölkerung gewonnen. Tony Blair ist seit 1980 mit der Anwältin Cherie Booth verheiratet und hat insgesamt vier Kinder.(APA)