Anton Pelinka

Vorarlberg war schon immer ein besonderes Land - gesellschaftlich, politisch. Obwohl hoch industrialisiert, hatte es immer schon die schwächste Sozialdemokratie Österreichs. Daran hat sich auch an diesem 19. September 1999 nichts geändert. Obwohl gesellschaftlich sehr mobil, war es die letzte Bastion einer absoluten Landtagsmehrheit. Das ist mit dem 19. September anders geworden.

Das Vorarlberger Wahlergebnis hat eine Besonderheit: Es gibt nur einen Sieger. Die Freiheitlichen haben alle Erwartungen übertroffen - und alle anderen Parteien sind hinter den Erwartungen zurückgeblieben.

Für die Bundesebene ist das ein klares Signal: Die Strategie der FPÖ scheint aufzugehen. Die Freiheitlichen haben gerade in Vorarlberg eine nicht polarisierende Strategie vorgelegt. Gorbach steht - anders als sein vormaliger Konkurrent Stadler - für Bündnisfähigkeit. Dabei war ihm freilich auch die ÖVP behilflich: Ohne Zwang hat die mit einer absoluten Mehrheit ausgestattete Volkspartei der Vorarlberger FPÖ geholfen, einen Regierungsbonus zu erarbeiten. Den Schaden hat nun Sausgruber. Jetzt muss er, was er bis zum 19. September nicht tun musste: den Freiheitlichen Konzessionen machen.

Das Vorarlberger Beispiel zeigt, dass die Strategie des Umarmens den freiheitlichen Aufschwung nicht stoppen kann. Diese Strategie sorgt vielmehr dafür, dass die Berührungsängste, die viele gegenüber der FPÖ verspüren, sich auflösen. Wer von Stadler und Mölzer verschreckt wird, wird von der aus der Unterhaltungs- und Sportindustrie rekrutierten Seitenblicke-Prominenz eben nicht verschreckt.

Und das ist die besondere Lehre, die aus dem Vorarlberger Ergebnis zu ziehen ist: Die Mischung aus polarisierenden Haider-Ansagen (Mobilisierung der fremdenfeindlichen Instinkte) und nicht-polarisierenden Kandidaten (von Gorbach über Prinzhorn bis Ortlieb) mag zwar intellektuell widersprüchlich sein, sie wird aber von vielen goutiert.

Viele wünschen sich eine FPÖ, die den an sich nicht erwünschten Geruch aus NS-Verharmlosung und rassistischen Ressentiments durch nette Menschen und vielfach einsetzbare Pragmatiker überdeckt. Viele wollen gerne wegschieben, dass Haiders Kulturberater ein Spezialist in Sachen Umvolkung ist - und dass den Herren Prinzhorn und Ortlieb zu den fremdenfeindlichen Slogans auf den FPÖ-Plakaten nichts einfällt.

Massensuggestion

Viele wollen einen pflegeleichten Haider haben - und es genügt ihnen daher, dass er neben Mölzer auch Prinzhorn, neben Rumpold und Ortlieb um sich duldet. Viele wünschen sich einen Haider, der anders ist als der von Krumpendorf. Und weil sie sich das so wünschen, greifen sie nach allen diesen Strohhalmen, die ihnen Haider hinhält. Auch wenn er seine Krumpendorf-und andere NS-Aussagen damit ja nicht zurücknimmt.

Gegen dieses Glauben-Wollen werden die anderen Parteien nur schwer ankämpfen können. Ein wenig erinnert die Situation an eine Massen-Suggestion: Weil alle (viele) etwas sehen wollen, sehen sie es auch - auch wenn es das so gar nicht gibt. Weil alle (viele) einen "Haider soft" sehen wollen, sehen sie ihn auch - auch wenn er und seine Partei die alten geblieben sind.

Anton Pelinka ist Professor für Politologie an der Universität Innsbruck.