London/Wien - Tony Blairs Erfolgsrezept für seine Wirtschaftspolitik bestand aus einer mutigen Entscheidung, gefolgt von vier Jahren äußerster Vorsicht. Wenige Tage nach dem Wahlsieg im Mai 1997 entließ Schatzkanzler Gordon Brown die Bank of England in die Unabhängigkeit. Mit diesem in Finanzkreisen schon lange geforderten Schritt stärkte die Labour-Regierung die Glaubwürdigkeit der ehrwürdigen Zentralbank. Frühere Regierungen, ob Labour oder Tory, hatten durch Zinssenkungen immer wieder versucht, die Konjunktur anzukurbeln, damit aber vor allem die Inflation angefacht. Gelöst von den politischen Fesseln konnte es sich die Bank of England leisten, die traditionell hohen Zinsen in Richtung Euro-Niveau zu senken. Für britische Bürger ist eine Zinssenkung noch viel vorteilhafter als für andere Europäer: Schließlich wohnt die große Mehrheit in Eigenheimen, die mit variablen Krediten finanziert sind. Die andere politische Entscheidung Blairs, die ihn nun zugute gehalten wird, war es, den wirtschaftspolitischen Kurs seiner konservativen Vorgänger Thatcher und Major grundsätzlich beizubehalten. Schatzkanzler Brown erzielte durch eine moderate Budgetpolitik beträchtliche Haushaltsüberschüssen, die wiederum dämpfend auf die Zinsen wirkten. Im Gegensatz zu früheren Labour-Ministern verzichtete er auf teure Sozialprogramme, anders als Tory- Schatzkanzler auf übertriebene Steuersenkungen. Dem maroden Gesundheitssystem und der Infrastruktur wurde damit wenig geholfen, aber insgesamt konnte "New Labour" damit endgültig den Ruf, nicht verantwortlich wirtschaften zu können, abschütteln. In Umfragen wird Labour viel mehr wirtschaftliche Kompetenz zugestanden als William Hagues Tories. Dieser Vorsprung erlaubt es Blair, bei der wohl wichtigsten wirtschaftspolitischen Weichenstellung der nächsten Jahre an einer Politik festzuhalten, die von der Mehrheit der Briten abgelehnt wird. Rund 70 Prozent wollen laut Umfragen der Währungsunion nicht beitreten, das Pfund nicht gegen den Euro tauschen. Blair aber beharrt darauf, in der nächsten Legislaturperiode ein Euro-Referendum abzuhalten, sobald bestimmte ökonomische Kriterien erfüllt sein. Dafür ist ihm der Applaus weiter Kreise der Wirtschaft und der mächtigen Londoner Finanzwelt gewiss. Und auch politische Beobachter schließen nicht aus, dass Blair den Schwung eines großen Wahlsieges dazu nützen kann, die Briten doch noch für den Euro zu gewinnen. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 31. 5. 2001)