Österreich
Erfolg der weißen Flasche
Die Kundschaft liebt sie, Umweltaktivisten schlagen Alarm
Sie ist weiß wie ihr Inhalt, hat einen blauen Schraubverschluss und kurbelt, so wird gesagt, seit April 2000 den Verkauf der Milch an, die Ein-Liter-PET-Flasche der Niederösterreichischen Molkerei (NÖM). Alfred Berger, verantwortlich für Marketing und Verkauf bei der NÖM, ist von ihr naturgemäß angetan: Fünfmal mehr als mit der alten Glasflasche habe man mit dem PET-Gebinde verkauft. Mitte Mai gewann man damit unter anderem den Milch-Nova-Preis 2001 der Agrarmarkt Austria, eine begehrte Innovationstrophäe für Molkereien.
Die Geschichte dieser Flasche ist eine Geschichte der Verwirklichung von tatsächlichen und angenommenen Konsumentenwünschen: Die heimischen Milchtrinker lehnten die alte, braune PET ab, die eine Kopie der Glasmilchflasche war. Außerdem fanden sie sie nicht "bequem": zu groß, zu unhandlich, und der Druckverschluss erwies sich nach einmaligem Öffnen vor allem in Liegeposition im Kühlschrank auch nicht als ganz tropfsicher. Auf der Suche nach zeitgemäßeren und bequemeren Lösungen, die die Kunden mehr erfreuen könnten, fand man schließlich die Farbkombination Weiß-Blau und den Schraubverschluss.
Ganz ähnlich argumentiert Gerold Hackl, Produktmanager beim Mitbewerber Bergland, der ebenfalls eine weiß-blaue PET-Flasche, allerdings mit 0,75 Liter Fassungsvermögen, vor etwa einem Monat auf den Markt gebracht hat: Man wolle es den Kunden so angenehm und bequem wie möglich machen. Der Dreiviertelliter komme vor allem Single- und Zweipersonen-Haushalten zugute, wo man vielleicht nicht ganz so viel Milch brauche wie in mehrköpfigen Familien.
Im Aufwärtstrend
Milch in PET-Flaschen also. Klarer Aufwärtstrend, heißt es bei der NÖM und bei Bergland. Derzeit liege man bei einem Anteil von sieben Prozent. Uneinholbar freilich: die innen beschichteten Papierkartonbehälter (mit Marktführer Tetrapak). Die Glasflaschen seien "gestorben". Schuld daran: die österreichischen Milchtrinker, die sie nicht gekauft hätten. Die mit ihnen verbundene Mehrarbeit (auswaschen, zurücktragen) wurde offenbar nicht akzeptiert. Und das, obwohl in allen Umfragen über umweltschützendes Verhalten die Mehrheit der Konsumenten gemeint habe, wiederverwendbares Glas vorzuziehen, wundert sich Maria Bauernfried, Milchexpertin der Agrarmarkt Austria.
Die Lebensfähigkeit der wiederverwendbaren Glasflasche sei aber ohnehin unter den Erwartungen gewesen. Mehr als 15 Rotationen (die Flasche wird jedes Mal neu gefüllt) habe man nicht zustande gebracht, meint Berger. Der NÖM-Marketingmann spricht von Entsorgungsproblemen der verwendeten Salpetersäure. Um die oft starken Rückstände und fremden Inhalte (Zigaretten) wirklich erfolgreich zu entfernen, musste man auch nach kräftigen Mitteln greifen.
Supermarktchefs reiben sich die Hände. Die Rücknahme von Pfandflaschen kostete nämlich Zeit und Arbeitskraft, die man nun sparen kann. Wer trotzdem bei den Glasflaschen bleiben will, braucht hierzulande dennoch nicht zu verzweifeln: Greenpeace Österreich schlug angesichts der PET-Flaschen schon mehrfach Alarm und bietet über das
Internet
eine Liste mit Bezugsquellen für Milch in der Glasflasche an. Es sind dies vor allem Naturkostläden und Bio-Bäckereien. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31.5.2001, pi)