Literatur
Herder feiert Jubiläum
Größter deutscher Theologie-Verlag ist 200 Jahre alt
Freiburg - Genau 200 Jahre ist es her, dass Bartholomä Herder zum Hofbuchhändler
und Hofbuchdrucker des Fürstbischofs von Konstanz ernannt wurde. Seither geht die
Führung des Verlags von Stammhalter auf Stammhalter über. Seit 1999 steht der
35-jährige Manuel Herder in der sechsten Generation an der Spitze des
Unternehmens. Heute gilt der Verlag, dessen Motto "Das Leben verstehen" lautet, als
größter deutscher Buchproduzent für die Bereiche Theologie, Lebensgestaltung und
Elementar-Pädagogik und zählt zu den 40 größten Verlagen im deutschsprachigen
Raum.
Auseinandersetzung mit religiösen Themen
Das wichtigste Standbein bleibt für Herder die Auseinandersetzung mit religiösen
Themen und mit den verschiedenen Glaubensrichtungen. Für die kommenden 15
Jahre ist eine neue Bearbeitung des Alten Testaments in 54 Bänden geplant. "Diese
Reihe wird in den nächsten Jahrzehnten der wissenschaftliche Standard sein", glaubt
der Verleger. Trotz des großen Anteils an Theologie legt das Unternehmen großen
Wert auf die Unabhängigkeit von den Institutionen der christlichen Kirche. So ist
Herder auch der größte deutsche Verlag für buddhistische Literatur.
160 Mitarbeiter erwirtschafteten im vergangenen Jahr einen Umsatz von 87,5 Millionen
Mark (44,7 Mill. Euro/616 Mill. S), was einer Steigerung um 7,5 Prozent im Vergleich
zum Vorjahr entsprach. Schon 1999 wuchs der Umsatz um 11,5 Prozent. "In diesem
Tempo wird es nicht weitergehen", meint Herder. Das Jubiläumsjahr dient der
Konsolidierung.
Paradigmenwechsel
Nach Ansicht von Manuel Herder durchläuft die Gesellschaft zur Zeit einen
Paradigmenwechsel. "Vielen Menschen wird der ständige und zunehmende Mangel
an inhaltlicher und eigener geistiger Arbeit bewusst", sagt er. Die Tatsache, dass die
Privatsphäre anderer ständig verletzt wird, gehört nach Ansicht des Verlegers zu den
negativen Trends zu Beginn des dritten Jahrtausends. "Wen interessieren wirklich die
Ehegeschichten von Stars und Sternchen?", fragt er.
Wirklichkeitslücke
"Wir leben permanent mit einer Wirklichkeitslücke", beklagt Herder und hat sein
Verlagsprogramm entsprechend ausgerichtet, denn er weiß, dass sich viele in Zeiten
von Internet und TV-Soaps vermehrt dem Buch zuwenden. Für Ratsuchende möchte
Herder seinen Verlag als Dialogforum anbieten. Ein Thema ist unter anderem die
Frage nach der Ethik im Zeitalter der Biotechnik. Dafür konnte der Tübinger
Moraltheologe Dietmar Mieth gewonnen werden. Ein weiteres Standbein des Verlags
ist die Pädagogik. Im Blickpunkt stehen dabei Erzieherinnen in Kindergärten und
Tagesstätten.
Kinder vom Fernseher weglocken
"Das Berufsbild der Erzieherin hat nicht genügend gesellschaftliche Anerkennung",
meint Herder und möchte ihnen mit seinem Programm Hilfe im Umgang mit den
Kindern an die Hand geben. Auch für Kinder selbst bietet der Verlag ein "adäquates
und intellektuell angepasstes" Programm an. "Unser Ziel muss es sein, die Kinder
vom Fernseher wegzubekommen", sagt der Verleger. (APA)