Los Angeles - Als Steve Ballmer im Herbst 2000 versuchte, auf der alljährlichen Microsoft-Betriebsversammlung in Redmond, Washington, mit allerlei Motivationstricks Stimmung bei den rund 20.000 Mitarbeitern zu machen, haben die meisten nur an eine billige PR-Masche geglaubt. Zu negativ waren die Schlagzeilen das ganze Jahr über gewesen, zu heftig die Angriffe aus der Branche. Das jährliche Umsatzwachstums schrumpfte von 36 auf schmale acht Prozent, 250 Mrd. Dollar (294 Mrd. EURO/4000 Mrd. S) an Börsenwert wurden vernichtet, und der Kartellprozess hat für viele negative Schlagzeilen ge- sorgt. Doch mit dem Softwareriesen ist weiter zu rechnen.

"Wer 30 Milliarden Dollar Liquidität in der Kriegskasse hat und jeden Monat eine Milliarde dazulegen kann, der muss einfach Größeres im Sinn haben", sagt Geoffrey Clarks, Software Analyst bei J.D. Edwards. "Das sind mehr Reserven, als irgendeine andere Firma in Amerika zur Verfügung hat. Microsoft wird dieses Jahr mehr als vier Milliarden Dollar in Forschung und Entwicklung stecken, das ist mehr als AOL, Sun Microsystems und Oracle zusammen."

Offenbar wird ab nun aus vollen Rohren gefeuert. Nach dem Launch vergangene Woche von Office XP, der neuesten Version der Textverarbeitungs- und Tabellenkalkulationsprogramme, die knapp ein Drittel zum Gesamtumsatz beisteuern, geht es weiter mit "Stinger", einem neuen Betriebssystem für Handys, gefolgt von Xbox, Microsofts lang vorbereitetem Sprung in den Spielkonsolenmarkt.

Die XP-Hoffnung

Und am 25. Oktober 2001 kommt Windows XP, das neue PC Betriebssystem, von dem Bill Gates bereits posaunt, dass es "das wichtigste Produkt von Microsoft seit Windows 95 sein wird". Wobei am Dienstag bekannt wurde, dass die Gespräche mit AOL Time Warner über eine Internetvereinbarung für Windows XP ins Stocken geraten sind.

Im Internetgeschäft zählt nach langen Startproblemen das MSN Internet Access Service heute mehr als fünf Millionen Abonnenten. Neue Softwareprojekte sind darauf ausgerichtet, sämtliche Internetdienste miteinander zu verbinden, das Öffnen und Lesen von Websites in Sekundenschnelle zu ermöglichen und insgesamt dem User eine höhere Zeitersparnis und mehr Mobilität zu bieten.

Dennoch bleiben Analysten für die Aktie skeptisch. "Microsoft hängt immer noch zum größten Teil vom Wachstum des PC-Marktes ab. Dieser wird auf längere Sicht gesättigt bleiben", meint Rob Enderle von der Giga Information Group. "Und Windows XP wird zwar der erste wesentliche Upgrade von Windows 95 sein, aber es ist nicht das revolutionäre Produkt, auf das man so sehnlich gewartet hat." (Oliver Milrad, D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 6. 6. 2001)