Rom - Die EU-Partner warten gespannt auf den ersten europäischen Auftritt des neuen italienischen Regierungschefs Silvio Berlusconi beim Gipfel in Göteborg. Die Regierungen, die auf den Wahlsieg des Mailänder Medienzaren am 13. Mai vorsichtig zurückhaltend reagiert hatten, wollen Berlusconis Europa-Politik genau unter die Lupe nehmen. Berlusconi darf sich keinen allzu freundlichen Empfang erwarten. Die in Brüsseler Kreisen als allzu liberal bewerteten Steuerversprechen, die das Stabilitätsprogramm Italiens gefährden könnten, sowie Bedenken über Berlusconis politische Partner und kritische Äußerungen des Mitte-Rechts-Blocks zur Osterweiterung nähren eine gewisse Skepsis über den 63-jährigen Multimillionär, der auch wegen seiner zahlreichen Interessenskonflikte mit Misstrauen beobachtet wird. EU fürchtet Kurswechsel in Rom Obwohl Berlusconi im Wahlkampf öfters versichert hatte, dass sich die Europapolitik Italiens mit einem Regierungswechsel nicht ändern werde, befürchtet Brüssel, dass aus Rom künftig andere Töne kommen werden. Für Aufruhr sorgten bereits die Worte des als künftigen Wirtschaftsministers gehandelten Giulio Tremonti, wonach die Interessen Süditaliens, das zu den größten Empfängern von EU-Fördergeldern zählt, Vorrang vor der Erweiterung der Union hätten. EU-Insider deuten dies als Beginn einer engen Kooperation zwischen Berlusconi und Spaniens Premier Jose Maria Aznar, der ähnliche Positionen vertritt. Berlusconis Bündnis, das in Süditalien massiv an Stimmen gewann, fürchtet, dass die Regionen des "Mezzogiorno" durch den Beitritt ärmerer Staaten auf dem Papier reicher und daher Fördergelder verlieren werden. Der TV-Tycoon versuchte jedoch die Sorgen der EU-Partner zu beschwichtigen. Angesichts des Gefälles zwischen der Wirtschaftsleistung der EU und der Beitrittskandidaten müsse die Osterweiterung zwar vorsichtig betrieben werden, "ich bin aber nicht besorgt, dass die nach Italien fließenden Mittel verringert werden", sagte Berlusconi. Mit Spannung erwartete Regierungserklärung Die EU-Partner warten gespannt auf die Regierungserklärung des neuen italienischen Ministerpräsidenten. Sie erhoffen sich insbesondere Aufschluss darüber, ob seine Politik als Risiko für die Stabilität des Euro zu betrachten sein wird oder nicht. Internationale Wirtschaftsexperten befürchten, dass die während des Wahlkampfs angekündigten massiven Steuersenkungen und die Milliardenprogramme für den italienischen Süden das Haushaltsdefizit des Landes beträchtlich ausweiten würden. "Dann hätten wir mit Italien ein Problem", meinen EU-Experten. Nach dem mit Brüssel abgeschlossenen Stabilitätsprogramm sollte das Euro-Land Italien bis Jahresende die Netto-Neuverschuldung in diesem Jahr auf 0,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts senken. Im vergangenen Jahr hatte Italien einen Wert von 1,5 Prozent erreicht und damit das selbstgesetzte Ziel um 0,2 Prozent verfehlt. Nächstes Jahr soll die Neuverschuldung auf 0,5 Prozent gedrückt werden und 2003 ist ein ausgeglichener Etat das Ziel. Berlusconi drohen Schwierigkeiten Berlusconi wird bei der Erfüllung des Stabilitätspakts auf Schwierigkeiten stoßen. Das italienische Schatzministerium hat ein zusätzliches Loch in den öffentlichen Ausgaben von 10.000 Mrd. Lire (5,16 Mrd. Euro/76,33 Mrd. S) errechnet. Das bedeutet für die neue Regierung, dass sie das gestiegene Defizit wahrscheinlich mit einen Nachtragshaushalt ausgleichen muss. Besonders stark gestiegen sind die Ausgaben im Gesundheitswesen, während andere einkalkulierte Einnahmen, unter anderem aus der Mehrwertsteuer, ausgeblieben sind. Um das Misstrauen der EU-Partner zu zerstreuen, muss Berlusconi klarstellen, dass seine Verbündeten - die rechtspopulistische Lega Nord und die postfaschistische Nationalallianz - stabile Koalitionspartner sind, die den europäischen Integrationsprozess nicht gefährden wollen. Im Wahlkampf hatten vor allem ausländerfeindliche Aussagen des Lega-Nord-Chefs Umberto Bossi für Aufsehen gesorgt. Bossi hat allerdings bei den Parlamentswahlen stark verloren und ist für die Stabilität des Mitte-Rechts-Kabinetts nicht mehr ausschlaggebend. Dem Chef der Alleanza Nazionale, Gianfranco Fini, wird hingegen vorwiegend die Vergangenheit seiner Partei vorgeworfen. (APA)