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Manila/Wien - Über sechshundert Jahre schlief der Berg. Dann krachte es. Nicht plötzlich. Eher verzögert, mit Ankündigung: Im April 1991 begann der Mount Pinatubo auf der philippinischen Hauptinsel Luzon zu dampfen, zu rumoren und Asche zu spucken. Zwei Monate später, am 9. Juni 1991, kam es zu der Katastrophe, vor der Vulkanologen immer wieder gewarnt hatten: Der Berg explodierte. Viele Menschen fanden in dem Inferno den Tod, noch mehr mussten flüchten. Sieben Tage lang spie der Pinatubo Feuer und Asche. Immer wieder bebte den Menschen die Erde unter den Füßen, 40 Kilometer hohe Rauchsäulen stiegen auf, Aschenregen gingen Hunderte Kilometer entfernt nieder. "Es war, als stürmte eine Herde von 100.000 Tieren heran", erinnert sich ein Augenzeuge. In Panik flüchteten die Bewohner am Fuße des Vulkans auch mit Büffelkarren. Das Ministerium für soziale Wohlfahrt warnte am 10. Juni vor Wasser aus Quellen und Bächen am Berg. Da nebelten bereits schwarze Asche und bleigraue Giftwolken den 1475 Meter hohen Gipfel ein. 19 Eruptionen Die eigentliche Katastrophe brach fünf Tage später über die Menschen herein. 19 Eruptionen zählten Vulkanologen an diesem 15. Juni, rot glühende Lava fraß sich über 15 Kilometer ihren Weg. Noch in der 100 Kilometer entfernten Hauptstadt Manila verpesteten Schwefelgase die Luft. 14 Siedlungen wurden unter Vulkanasche begraben. An die 1000 Menschen kamen in Feuer und Asche ums Leben, eine Million Filipinos musste aus der Umgebung des Feuerberges fliehen. Nicht nur der wirtschaftliche Schaden der Katastrophe war enorm, die Eruptionen des Pinatubo hatten auch nachhaltige Konsequenzen für das Weltklima. Weil es durch den Rauchausstoß des Vulkanes zu Lufttrübungen in der Atmosphäre kam, kühlte die Temperatur nach der Katastrophe lokal um bis zu 0,5 Grad Celsius ab. "Die globale Durchschnittstemperatur sank um 0,2 Grad Celsius. Das ist nicht wenig", erklärt Reinhard Böhm, Klimatologe an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Wien. Die Statistiken der ZAMG wiesen dementsprechend 1991 eindeutig als zu kühles Jahr aus. In Manila regierte nach dem Ausbruch schieres Chaos: Die Explosion der Naturgewalt könnte "Gottes Weg sein, sein Volk wachzurütteln, sich zu vereinen und Zeit zu finden, für die von ihm begangenen Sünden zu beten", sinnierte damals Präsidentin Corazon Aquino öffentlich. Unterdessen blieben dringend benötigte Millionen für die Abertausenden Flüchtlinge im Räderwerk der Bürokratie stecken. Später musste sogar offen eingeräumt werden, dass es Unzulänglichkeiten bei der Reaktion der Regierung auf die Katastrophe gegeben hatte. Krater-Touren Die Pinatubo-Geschädigten halfen sich indes selber: Die Vulkanasche auf ihren Grundstücken verkauften alsbald findige Bewohner an Baufirmen; mancher verscherbelte herabgeregnete Gesteinsbrocken gleich sackweise an Urlauber. Der Ort Angeles am Fuße des Berges entwickelte sich zu einer Touristendestination. Von den bizarren Gesteinsformationen aus Geröll und kalter Lava angezogene Urlauber sorgten für einen regelrechten Boom. Eine "Pinatubo-Tour" oder ein Krater-Rundflug gehören für die Hotels in Angeles inzwischen zum Standard. Das Leben um den Berg, sagen viele Filipinos inzwischen, sei eigentlich fast wieder normal. (chr, DER STANDARD, Print-Ausgabe 7. 6. 2001)