Retz/Wien - Am Wegrand blüht der Klatschmohn, kurz vor Pulkau bekommt er farbliche Konkurrenz. Sieben knallrote Stühle stehen scheinbar zufällig in einem Feld. Ein paar Straßenkurven weiter stehen erneut rote Sitzgelegenheiten im Gras. Sie wirken, als würden sie nur auf einen Besucher warten, der Platz nimmt, um die sanfte Hügellandschaft des westlichen Weinviertels zu betrachten. Vor Obernalb wechselt die exotische Vegetation: Auf den Bäumen wachsen rote Fahrräder, sie ranken sich auch um Brückengeländer und um Presshaustüren. Das Retzer Land feiert ein sommerliches Kulturfest - ganz der Farbe Rot und dem Element Feuer gewidmet. "Wir wollten bewusst einen neuen Blickwinkel auf die Landschaft schaffen und dadurch Spannung erzeugen", erklärt Stephan Rabl, einer der Erfinder des Festivals "Retzer Land - Feuriges Land". Er weiß, dass man mit den Hügeln rund um Retz nicht gerade die Begriffe "feurig" und "rot" verbindet. Bis zum 8. September findet die Inszenierung der Gegend in Rot statt. Sechs Landschaftsinstallationen setzen Akzente, die Brücke über die Thaya im Nationalpark und die Retzer Windmühle werden mit roter Folie verhüllt. Der Auftakt war zu Pfingsten in Retz, es folgen "feurige Feste" mit Gauklern, Akrobaten, Jongleuren und Musik in Schrattenthal, Retzbach, Pulkau, Hardegg und Zellerndorf. Durch die rote Brille "Es ist unglaublich, wie sich die Leute aus der Umgebung mit dem Projekt identifizieren", freut sich Regionalmanager Hannes Weitschacher. Er rückt dabei seine - knallrote - Brille zurecht, "die hab' ich mir extra zugelegt". Einige seien gleich Feuer und Flamme gewesen, wie jener Landwirt, der sein Wirtschaftsgebäude rot gefärbelt hat. Andere hätten die Vorbereitungen zunächst skeptisch beäugt, um danach umso begeisterter mitzumachen und viele Ideen beizutragen. Die Einbeziehung der Bewohner des Retzer Landes sei Teil des Konzeptes gewesen, so Weitschacher. Die Menschen sollten mit Kunst in Kontakt kommen und gemeinsam mit den Künstlern und Künstlerinnen arbeiten. Monatelang wurden alte Fahrräder zusammengetragen, Steine gesammelt und angemalt, ausgediente Weinbaugeräte hervorgeholt und lackiert. Alles in der Hoffnung, mit der erröteten Landschaft neue kulturinteressierte Besuchergruppen anzusprechen. In Unter-Retzbach sind Baumstämme rot umhüllt, auch der Maibaum trägt die Farbe Rot. An der Ortsausfahrt findet sich eine Installation aus roten Steinen. Danach sind die Mohnblüten wieder unter sich. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7. 6. 2001)