ORF
Thoma sagt nicht Nein zum ORF
Die Freiheitlichen sehen sich im Privat-TV nach einem möglichen ORF-Chef um
Wien - Dass die FPÖ schon beim früheren Pro-Sieben-Vorstandschef Georg Kofler
anfragte, ob er nicht nächster ORF-Chef werden will, wird von FP-Insidern durchaus
offen gehandelt. Kofler winkte ab - er bastelt gerade eifrig am europaweiten Ausbau
des Teleshoppingsenders Hot.
Auch der nächste Kandidat der Freiheitlichen ist einer der Pioniere des
Privatfernsehens, glaubt man gut informierten Regierungskreisen: Nachgesagt wird
etwa dem Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider, da an Helmuth Thoma, Gründer
und langjährigen Geschäftsführer von RTL, zu denken.
Thoma erklärt Mittwoch zwar auf STANDARD-Anfrage: "Mit mir hat noch keiner geredet."
Ganz abgeneigt klingt er jedoch nicht. Über das klassische "Man soll niemals nie
sagen" hinaus erklärt der 62-Jährige für den Fall einer Anfrage: "Ich habe relativ wenig
von den neuen Mediengesetzen mitgekriegt. Aber ich würde mir das sicher
anschauen." Der RTL-Pensionist werkt derzeit unter anderem als Berater des
nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement und für ein
Sportportal: "Ich habe in Deutschland viel zu tun und verdiene so viel Geld, dass ich
nicht weiß, ob ich mir das leisten könnte."
"Noch viel eher wahrscheinlich" ist für Thoma eine Funktion im Stiftungsrat, der das
ORF-Kuratorium als Aufsichtsgremium ablösen soll: "Einen Aufsichtsratsjob kann ich
mir ganz gut vorstellen."
Thoma war vor seiner Übersiedlung zu RTL Chef der ORF-Rechtsabteilung. Originell
wäre ein ORF-Engagement nicht zuletzt ob der Debatte der vergangenen Wochen, wie
der öffentlich-rechtliche Programmauftrag zu präzisieren wäre. Es war Thoma, der bei
RTL etwa den Satz prägte: "Im Seichten kann man nicht ertrinken."
Als wahrscheinlicher Kandidat für die nächste Wahl des ORF-Chefs gilt der
amtierende Gerhard Weis, der sich bisher allerdings nicht festlegen mochte.
"Absalutieren" im ORF
"Unglaubliches Chaos" erwartet unterdessen der grüne Mediensprecher Stefan
Schennach aufgrund der ORF-Reform ab Sommer. Während bereits ab 1. August die
Bestellung von Stiftungsrat und Publikumsrat möglich wird, beginne die
Funktionsperiode der neuen Organe laut Gesetz "frühestens mit 1. Jänner 2002,
unbeschadet einer Konstituierung vor diesem Zeitpunkt". Für die Grünen ist daher die
Wahl des neuen ORF-Generaldirektors durch den Stiftungsrat erst nächstes Jahr
möglich - und nicht wie von der FPÖ angekündigt am 21. Dezember.
Im Medienstaatssekretariat Franz Moraks zitiert man indes auf STANDARD-Anfrage
einen Passus im Gesetzestext, der "die Bestellung, Wahl und Neukonstituierung der
Stiftungsorgane" bereits vor dem Stichtag für die Umwandlung möglich macht. Und
auch Schennachs Befürchtung, das "absterbende Organ" Kuratorium und die Hörer-
und Sehervertretung müssten während des "halbjährigen Interregnums" mit den
neuen Organen um Kompetenzen streiten, wird vom Staatssekretariat
zurückgewiesen: Das ORF-Kuratorium sei noch für das gesamte Geschäftsjahr 2001
verantwortlich und werde mit Jahreswechsel zugunsten des neuen Stiftungsrats
"absalutieren". (fid/jed/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7.6.2001)