Europa
Berliner SPD will Diepgen mit Misstrauensvotum stürzen
Antrag am kommenden Donnerstag - CDU will sich nicht unter Druck setzen lassen
Berlin - Die Berliner SPD will nach dem Bruch der Koalition mit der CDU Bürgermeister Eberhard Diepgen mit einem Misstrauensvotum stürzen und ihren Spitzenkandidaten Klaus Wowereit zum Nachfolger wählen lassen. SPD-Landeschef Peter Strieder sagte am Freitag, seine Partei werde am kommenden Donnerstag einen Misstrauensantrag gegen Diepgen einbringen, über den zwei Tage später abgestimmt werden könne. "Wir werden Eberhard Diepgen abwählen und Klaus Wowereit zum Regierenden Bürgermeister wählen."
Dazu sind die Stimmen von PDS und Grünen notwendig, die bereits Zustimmung signalisiert haben. Die Union will den Kampf gegen Rot-Rot zum Thema des Bundestagswahlkampfes machen. Die CDU hat ihre Haltung zu Neuwahlen bisher noch nicht eindeutig geklärt. Strieder warf ihr vor, Neuwahlen verhindern zu wollen. "Diepgen trickst weiter", hieß es in einer Erklärung des SPD-Landeschefs. Die SPD strebt wie PDS, Grüne und die nicht im Parlament vertretene FDP Neuwahlen am 23. September an. Ein politischer Neuanfang gehe nach dem Bruch der großen Koalition nur über vorgezogenen Wahlen. Regulär würde das Abgeordnetenhaus erst 2004 gewählt.
Der Berliner CDU-Generalsekretär Ingo Schmitt schloss den 23. September als Wahltermin aus. Um an diesem Tag wählen zu können, müsste das Abgeordnetenhaus in der Sommerpause mit Zwei-Drittel-Mehrheit seine Selbstauflösung beschließen, erklärte er als Begründung. Dazu müssten alle Abgeordneten auf Staatskosten aus dem Urlaub zurückgeholt werden. "Für den 23. September gibt es überhaupt kein Argument, außer die Befürchtung der vertragsbrüchigen Berliner SPD, in den Sog der erwarteten Niederlage der Hamburger SPD gezogen zu werden", erklärte Schmitt. Am 23. September wird die Bürgerschaft in Hamburg neu gewählt.
Wenn die SPD ernst macht...
Die CDU ist Schmitt zufolge aber bereit, mit den anderen Parteien über eine Auflösung des Abgeordnetenhauses zu sprechen. CDU-Landesgeschäftsführer Matthias Wambach: "Wenn die SPD ernst macht mit der PDS, muss es Neuwahlen geben." Diepgen und CDU-Fraktionschef Frank Steffel hatten vorgezogene Wahl ebenfalls nicht ausgeschlossen. Der CDU-Landesausschuss stimmte darüber am Donnerstagabend jedoch nicht ab. Teilnehmer berichteten, eine Mehrheit sei gegen Neuwahlen gewesen.
Der am Donnerstagabend einstimmig zum SPD-Spitzenkandidaten nominierte Wowereit schloss ein Zusammengehen mit der PDS nicht aus. Er strebe eine Zusammenarbeit mit der PDS zwar nicht an, wolle aber eine Option haben. "Ich kann nicht in die Wahl gehen und sagen, es gibt nur eine Möglichkeit, das ist die große Koalition", sagte Wowereit. Dieses Bündnis habe in der Haushalts- und Bankenkrise der Hauptstadt bewiesen, dass es seine Aufgaben nicht bewältigen könne. SPD-Chef und Bundeskanzler Gerhard Schröder gab dem Berliner Landesverband freie Hand.
Die Union kündigte an, sie wolle den Kampf gegen rot-rote Bündnisse zum Thema des Bundestagswahlkampfes machen. Der stellvertretende Parteivorsitzende Christian Wulff sagte es müsse deutlich gesagt werden, dass es Schröder nur um die Macht gehe und er sich nötigenfalls auch von der PDS zum Kanzler wählen lassen würde.
"Rote-Socken"-Kampagne
Der frühere Generalsekretär der CDU, Peter Hintze, sagte, er sei sicher, dass das Thema PDS bei der Bundestagswahl eine Rolle spielen werde. Hintze hatte den CDU-Bundestagswahlkampf 1994 mit einer heftig umstrittenen "Rote-Socken"-Kampagne geführt. Fraktionschef Friedrich Merz nannte es "empörend und beschämend, dass die Sozialdemokraten jetzt mit den Kommunisten ins Bett steigen".
SPD-Generalsekretär Franz Müntefering unterstrich hingegen, die PDS habe sich in den Landtagen von Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern als koalitionsfähig erwiesen. Allerdings gibt es auf dem rechten Flügel der SPD auch Widerstand gegen ein Zusammengehen mit der PDS. Ihr Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch plädierte für eine Koalition zwischen SPD und PDS in Berlin unter Ausklammerung der Grünen. "Eine neue Regierung muss schmerzhafte Entscheidungen treffen", sagte er. "Und das geht besser in einem Zweierbündnis." (APA/Reuters/dpa)