Brüssel - Im Völkermord-Prozess gegen zwei Nonnen und zwei weitere Bürger Ruandas hat am Freitag ein belgisches Geschworenengericht in Brüssel langjährige Haftstrafen ausgesprochen. Die beiden Nonnen wurden zu 15 und zwölf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Der frühere ruandesische Verkehrsminister Alphonse Higaniro muss für 20 Jahre, ein Universitätsprofessor für zwölf Jahre ins Gefängnis. Nach Überzeugung des Gerichts waren sie am Völkermord während des Bürgerkrieges 1994 beteiligt. Hutu-Extremisten hatten damals in der ehemaligen belgische Kolonie schätzungsweise eine Million Angehörige der Volksgruppen der Tutsis und Hutus ermordet. Das Gericht verhandelte acht Wochen lang gegen die Benediktinerinnen Maria Kisito und Gertrude sowie den Professor Vincent Ntezimana und EX-Minister Higaniro. Rechtsgrundlage war ein 1993 verabschiedetes Gesetz, das die belgische Justiz ermächtigt, Kriegsverbrechen unabhängig vom Ort des Geschehens und der Nationalität der Täter zu ahnden. Es wurde nun das erste Mal angewendet. In das Kloster der beiden Nonnen hatten sich tausende Tutsis geflüchtet. Von ihnen wurden über 5000 niedergemetzelt oder bei lebendigem Leibe verbrannt. "Der Gerechtigkeit wurde Genüge getan", sagte Clement de Clety, einer der Anwälte der Nebenkläger. Sein Kollege George-Henri Beauthier sagte, das Verfahren ermuntere zur Gründung eines Weltgerichtshofes für Kriegsverbrechen. Der 28 Jahre alte Ruandese Theophile Kasila, der in den drei Monaten des Massakers seine Eltern, fünf Brüder und zwei Schwestern verlor, verlangte, auch die anderen Täter müssten vor Gericht gebracht werden. "Keine Gerechtigkeit, sondern Rache" Die vier Angeklagten zeigten keinerlei Regung, als im Brüsseler Justizpalast das Urteil der zwölf Geschworenen - sieben Männer und fünf Frauen - verlesen wurde. Ein Parteigänger der Angeklagten, der sich nur Jean-Claude nannte, sagte: "Das ist keine Gerechtigkeit, sondern Rache." Der Prozess galt einem Massenmord, der sich im Kloster Suvo nahe der südruandesischen Stadt Butare abspielte. Die beiden Nonnen versorgten die Hutus mit Benzinkanistern, um die Gebäude anzuzünden, in der sich die Flüchtlinge aus Butare aufhielten. Gertrude hatte andere Flüchtlinge gezwungen, das Kloster zu verlassen, und sie den Hutu-Extremisten in die Arme getrieben. Sie metzelten die Tutsis mit Macheten, Gewehren und Handgranaten nieder. Ntezimana führte Listen mit Tutsi-Flüchtlingen für die Hutus. Higaniro befahl die Ermordung einer achtköpfigen Familie. Historiker vergleichen den Völkermord in der kleinen zentralafrikanischen Nation mit den Judenmorden der Deutschen und den Armeniermorden der Türkei. Die frühere Kolonialmacht Belgien und die katholische Kirche sind beschuldigt worden, über die Vorgänge in Ruanda lange geschwiegen und die Strafverfolgung der Täter verschleppt zu haben. Mit dem Völkermord befasst sich noch ein UNO-Gericht in Tansania. Dort gab es am Donnerstag den ersten Freispruch. (APA/Reuters)