EU
Der Stand der Erweiterungsverhandlungen
Zypern, Slowenien, Ungarn und Estland als Vorreiter - Schwierige Dossiers noch offen
Wien - Mehrere Jahre nach Einlangen der ersten Beitrittsansuchen eröffnete die EU am 31. März 1998 die Verhandlungen mit
Estland, Polen, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern (Luxemburg-Gruppe). Dabei geht es um die Übernahme des in 31 Kapitel
gegliederten gemeinsamen Rechtsbestands der EU (acquis communautaire) durch die künftigen Mitgliedsstaaten. Am 12. Dezember 1999
stimmte der EU-Gipfel in Helsinki dann auch dem Beginn der Beitrittsverhandlungen mit Bulgarien, Lettland, Litauen, der Slowakei, Malta
und Rumänien zu (Helsinki-Gruppe).
Die Verhandlungen werden direkt zwischen den 15 EU-Mitgliedsstaaten und den einzelnen Kandidaten geführt. Der jeweiligen
EU-Präsidentschaft kommt die Aufgabe zu, eine gemeinsame Position der Mitgliedsstaaten zu heiklen Fragen zu vermitteln. Die
Kandidatenstaaten verhandeln jeder allein und werden nach einem Beschluss des Helsinki-Gipfels allein nach ihren Leistungen individuell
beurteilt (Regatta-Prinzip). Die EU-Kommission entwirft Verhandlungspositionen für die Mitgliedsstaaten, hilft aber auch den Kandidaten bei
der Lösung von Problemen. Außerdem kann sie eigene Vorschläge im Bereich Justiz und Inneres machen.
Mit Stand vom 1. Juni 2001 hat Zypern mit 21 abgeschlossenen Kapiteln bisher die meisten Verhandlungspunkte geklärt. Es folgen
Slowenien mit 20, Estland und Ungarn mit 19, Tschechien mit 18, Malta, Polen und die Slowakei mit jeweils 16, Litauen mit 15, Lettland mit
13 sowie Bulgarien mit neun und Rumänien mit erst sechs. Die beiden Schlusslichter haben keine realistische Chance auf eine EU-Aufnahme
in den nächsten Jahren. Die meisten der zehn anderen Kandidaten hingegen hoffen, die Verhandlungen etwa bis Ende 2002 zu beenden, im
Jahr 2003 den Ratifizierungsprozess und etwaige Volksabstimmungen zu durchlaufen und dann 2004 Mitglieder der EU zu werden.
Wann allerdings welcher Staat als neues Mitglied in der Union willkommen geheißen werden wird, steht definitiv noch nicht fest.
Ausschlaggebend dafür soll allein der Verhandlungsabschluss sein, doch spielen auch politische Überlegungen eine wichtige Rolle. Zentrale
Bedeutung hat dabei Polen, das mit fast 40 Millionen Einwohnern mit Abstand größte Kandidatenland, das in den Verhandlungen mit
kleineren Bewerbern wie Estland, Ungarn oder Slowenien nur schwer Schritt hält.
Erste Voraussetzung für die Aufnahme in die EU ist der Abschluss aller Verhandlungskapitel. Da wartet noch harte Arbeit. So werden
besonders heikle Kapitel wie etwa Landwirtschaft, Transport, Steuern und Finanzen und Regionalpolitik erst in den nächsten Monaten
geöffnet. Nach der Einigung innerhalb der EU-Staaten auf eine gemeinsame Position zu den Übergangsfristen für den Zugang zum
Arbeitsmarkt hofft die schwedische Präsidentschaft auf erste Abschlüsse bei der kommenden Verhandlungsrunde noch vor dem Gipfel in
Göteborg.
Nach Schweden übernimmt Belgien den Vorsitz in der EU und wird in den Beitrittsverhandlungen insbesondere mit den Problem
Landwirtschaft, Steuern, Transport sowie Justiz und Inneres zu tun haben. Beim Kapitel Landwirtschaft fordern etwa Polen und Ungarn
Übergangsfristen von 18 bzw. zehn Jahren für den Erwerb von Grund und Boden durch Ausländer. Schwierige Verhandlungen sind damit
garantiert.
William Wallace, Professor an der London School of Economics, warnte jedoch kürzlich in der "Financial Times" vor zu großer Härte der
EU-Mitglieder: Die Beispiele früherer Erweiterungen zeigten die negativen Folgen einer übertriebenen Verteidigung nationaler Interessen
gegenüber den Neuen. Die danach zwangsläufig notwendigen Reformen könnten dann "die Nachteile von obstruktiven neuen Mitgliedern
nicht wettmachen, die darum kämpfen zurückzugewinnen, was sie in den Beitrittsverhandlungen aufzugeben gezwungen waren." (APA)