Wien – Die Immunität schützt Parlamentarier vor behördlicher Verfolgung auf Grund ihrer politischen Tätigkeit. In der Geschäftsordnung des Nationalrates finden sich dazu zwei Abstufungen: Niemals dürfen Abgeordneten demnach für Abstimmungen und Reden im Parlament geklagt werden. Verhaftungen – außer auf frischer Tat – sind nur mit Zustimmung des Nationalrates möglich. Eine solche Zustimmung ist außerdem für jede behördliche Verfolgung eines Mandatars nötig, ausgenommen bei Tatbeständen, die "offensichtlich" nicht im Zusammenhang mit dessen politischer Tätigkeit stehen.

Ob ein derartiger Zusammenhang besteht oder nicht, hat grundsätzlich die zuständige Behörde zu entscheiden und im Zweifelsfall zu begründen. Im Kommentar zur Geschäftsordnung werden allerdings exemplarische Fälle genannt: Tappt ein Abgeordneter demnach betrunken in eine Radarfalle, wird die Immunität nicht schlagend. Bei Ehrenbeleidigung oder Verstößen gegen das Mediengesetz hat die Behörde dagegen "grundsätzlich einen derartigen Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit anzunehmen". Vor zivilrechtlichen Schadenersatzforderungen schützt die Immunität allerdings nicht.

Historisch ist die Immunität ein Relikt der Monarchie, die Abgeordnete dem Zugriff des Kaisers entziehen sollte. Die Auslieferungspraxis des Nationalrates wurde im Lauf der Jahre mehrmals verschärft: So waren bis in die 70er Jahre selbst Verkehrsdelikte durch die Immunität geschützt. Seit 1996 wird auch bei Ehrenbeleidigungsdelikten in der Regel ausgeliefert.

Spitzenreiter FPÖ

Diese Änderung der Spruchpraxis schlägt sich deutlich in der Auslieferungsstatistik nieder: Seit 1979 gab es im Nationalrat insgesamt 157 Auslieferungsanträge, nur 36 Abgeordnete wurden auch tatsächlich an die Justiz ausgeliefert. Allein 31 Auslieferungen entfallen allerdings auf die Zeit seit 1996. Spitzenreiter bei den Auslieferungsanträgen ist die FPÖ mit 59 vor der ÖVP mit 40 und den Grünen mit 36 seit 1979. Die Abgeordneten der SPÖ kamen immerhin auf 27, gegen die Mandatare des mittlerweile aus dem Nationalrat geschiedenen Liberalen Forums wurden nur zwei Auslieferungsanträge eingebracht.

Die erste Auslieferung der Zweiten Republik betraf übrigens den SP-Mandatar Albrecht Gaiswinkler, der sich wegen Machtmissbrauchs verantworten musste. Gaiswinkler wurde vorgeworfen, als von den Alliierten eingesetzter Bürgermeister von Bad Aussee willkürliche Verhaftungen und Vermögensbeschlagnahmen durch Gendarmerie und Polizei veranlasst zu haben. Gaiswinkler wurde am 15. Mai 1946 aus eigenem Wunsch an die Justiz ausgeliefert, um die Vorwürfe widerlegen zu können. Der Ausgang des Prozesses ist in den stenographischen Protokollen des Nationalrates allerdings nicht zu entnehmen. (APA)